bears and more • Klaus Pommerenke
 
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4. Mai 2010
Die Ölpest im Golf von Mexiko – eine eindringliche Mahnung, das Moratorium für Ölbohrungen und Tankerverkehr vor der Küste von BC beizubehalten
 
Am 20. April 2010 kam es auf der Ölbohrinsel Deepwater Horizon, die BP von dem Bohrinsel-Betreiber Transocean geleast hat, zu einer Explosion, bei der 11 Arbeiter getötet wurden. Zwei Tage später versank sie brennend im Golf von Mexiko, ca. 70 km südlich der Küste, mit 2,5 Millionen Liter Diesel in den Tanks. Offensichtlich war es zu einem „Blow-out“ gekommen. Dabei stießen große Mengen Gas unkontrolliert durch das Bohrloch nach oben zur Plattform und entzündeten sich in einer gewaltigen Explosion. Seitdem strömen täglich aus drei Lecks in 1.500 m Tiefe 800.000 Liter Rohöl ins Meer, fünfmal mehr, als BP zunächst einräumte. Weder ein Abfackeln des Öls, der Einsatz von Absaugschiffen, das Aufbringen von Chemikalien zum Auflösen des Ölteppichs und zum Zersetzen des Öls noch kilometerlange Ölsperren konnten die Ausbreitung der Ölpest bis an die Küste verhindern. Auch Unterwasserroboter am Blow-Out-Preventer-Ventilsystem konnten das Ausströmen weiteren Öls nicht verhindern. Schon am 2. Mai war der Ölteppich über 10.000 km² groß – halb so groß wie Hessen – und erreichte vorgelagerte Inseln und auch vereinzelt die Küste. Er bedroht die Laichgewässer der Blauflossen-Tunfische, wird Braunpelikane und hunderttausende andere Vögel der verschiedensten Arten töten, Delfine, Wale und Meeresschildkröten vernichten sowie die Fischerei im Golf von Mexiko ruinieren. Der Garnelenfang und die Austernzucht sind eingestellt worden, viele Fischer sind verzweifelt. Jährlich holte die US-Fischerei Fische und Meerestiere im Wert von 1,8 Milliarden US$ aus dem Golf von Mexiko, jetzt droht ein ökologisches wie auch ökonomisches Desaster.
Aus einer Risikoanalyse von BP für die Deepwater Horizon geht hervor, dass BP die Möglichkeit eines Unglücks mit katastrophalen Wirkungen heruntergespielt hat. In der 52 Seiten umfassenden Erklärung heißt es, ein Unfall mit ernsten Umweltgefahren sei unwahrscheinlich oder nahezu unmöglich. Die Deepwater Horizon hatte jedoch nicht einmal den zusätzlichen dritten Notfall-Mechanismus, mit dem funkferngesteuert das Ölventil am Meeresboden hätte geschlossen werden können. Dieser 500.000 US$ teure „Akustikschalter“ ist in den USA – anders als in Brasilien oder Norwegen – nicht gesetzlich vorgeschrieben und offensichtlich aus Kostengründen eingespart worden. Die Kosten diese dritten Schaltsystems hätten gerade einmal einer einzigen Tagesmiete für die Ölbohrinsel entsprochen.
Auf der BP-Website (www.bp.com) findet sich der Verhaltenskodex der Firma (Code of Conduct), dem sich BP streng verpflichtet fühlt (HSSE – Health, Safety, Security and Environment): „Unsere Ziele sind einfach zu beschreiben: Keine Unfälle, keine Gesundheitsgefährdung und keine Umweltschäden … Wo auch immer wir tätig sind, werden wir danach streben, negative Auswirkungen auf die Umwelt, die sich aus unseren Aktivitäten ergeben, möglichst gering zu halten.“ Neben diesem Text ist die Zeichnung eines Arbeiters zu sehen, dem ein einziges Ölfass umgefallen ist, wodurch ein ca. 2 m² großer Ölfleck entstanden ist. Unter „Environmental management“ heißt es: „BP strives to minimize the environmental impacts of its activities by applying management systems and standards and using innovative technology in its operations.“ Unter „Decommissioning and remediation“ findet sich folgendes: „Wherever BP operates or has operated in the past, we aim to leave a positive legacy and to ensure that sites can have a productive future use.“ Das Vermächtnis dieser Unternehmenspolitik ist gerade im Golf von Mexiko zu beklagen. Als Strategie von BP wird auf der Firmenwebsite genannt: „BP’s strategy is to create value for shareholders by providing energy in a way that is affordable, secure and doesn’t damage the environment.“ BP war in Sachen Umweltschutz schon vor der jetzigen Ölpest auf dem Niveau des Konzerns Exxon Mobile angekommen, welcher die Exxon Valdez Katastrophe im Golf von Alaska zu verantworten hatte. Im März 2005 gab es einen Großbrand in einer BP-Raffinerie in Texas und US-Behörden wiesen BP Hunderte von Verstößen gegen Sicherheitsvorschriften nach. BP musste wegen der Versäumnisse Rekordbußen in dreistelliger Millionenhöhe zahlen. Im März 2006 verursachte eine durchgerostete Pipeline von BP bei Prudhoe Bay in Alaska große Umweltschäden, 5.000 Barrel Öl (fast 800.000 Liter) flossen aus, BP musste 20 Millionen US$ Strafe zahlen. Solche Umweltverschmutzungen und Strafen nimmt BP in Kauf, finanziell schmerzt es den Konzern nicht im Geringsten. Der Nettogewinn von BP für das erste Quartal 2010 betrug laut Geschäftsbericht vom 27. April 6,08 Milliarden US$ und wies eine Gewinnsteigerung gegenüber dem ersten Quartal 2009 um 135 % aus. Auch in Deutschland verdient BP kräftig an den Marken BP, Aral und Castrol. In Folge der Ölpest ist der Börsenwert von BP allerdings innerhalb weniger Tage um 23 Milliarden Euro gesunken.
Die Folgen der jetzigen Ölkatastrophe sind noch gar nicht abzusehen. BP selbst räumte am 1. Mai ein, dass es noch ein bis drei Monate dauern könnte, bis die Lecks abgedichtet werden können. Dann hätte der Ölaustritt längst das Ausmaß der Exxon Valdez-Ölpest im Golf von Alaska überschritten. Damals waren aus dem havarierten Tanker 41,6 Millionen Liter Rohöl ausgelaufen. Wenn täglich weiterhin 800.000 Liter Öl aus dem Bohrloch der Deepwater Horizon austreten, wäre in 52 Tagen diese Menge erreicht, also am 1. Juni 2010. Beim schlimmsten Blow-out einer Bohrinsel im Juni 1979, ebenfalls im Golf von Mexiko, dauerte es 9 Monate, bis das Bohrloch geschlossen werden konnte. Damals flossen mehr als eine halbe Milliarde Liter Rohöl ins Meer. Seit 1957 gab es insgesamt 61 solcher Unfälle aus Bohrinseln. Christian Bussau, Biologe bei Greenpeace, geht davon aus, dass das Öl Wochen, wenn nicht gar Monate austreten wird.
Tony Haywarth, BP Group Chief Executive, erklärte am 30. April: „BP is fully committed to taking all possible steps to contain the spread of the oil spill. We are taking full responsibility for the spill and we will clean it up, and where people can present legitimate claims for damages we will honor them“ (BP Press Release, 30. April). Wie ernst diese barmherzig dahingeheuchelte Entschädigungsankündigung des BP-Chefs Hayward zu nehmen ist, zeigte sich bereits am folgenden Tag: in Venice, Louisiana, versuchte BP die wegen der Schließung der Fischerei arbeitslos gewordenen Fischer mit Knebelverträgen zu Säuberungsaktionen anzuwerben. In einer Klausel dieser kurzfristigen Arbeitskontrakte sollten die Fischer unterschreiben, dass sie auf jede Klage und Entschädigungsforderung gegen BP verzichten. In erpresserischer und skrupelloser Art und Weise wurde die Not der verzweifelnden Fischer ausgenutzt, die sich wenigstens noch für einige Wochen einen kurzfristigen Verdienst erhofften. Manch einer von ihnen hatte durch den Hurrikan Katrina Haus und Boot verloren und muss wohl noch jahrelang aufgenommene Kredite abzahlen. Jetzt stehen diese Fischer durch die Ölpest erneut vor den Scherben ihrer Existenz, können nicht einmal die alten Kredite abzahlen geschweige denn sich eine neue Existenz aufbauen, da das Meer auf Jahre, vielleicht auf Jahrzehnte hinaus verseucht sein wird. Die Erfahrungen mit der Exxon Valdez-Ölpest zeigen darüber hinaus, dass die ruinierten Fischer wohl ein bis zwei Jahrzehnte auf Entschädigungszahlungen zu warten haben. Die Exxon Valdez-Ölpest geschah am 24. März 1989 und erst im Juni 2008 entschied der US Supreme Court über die ausstehenden Entschädigungszahlungen. 19 Jahre lang konnte Exxon Mobile den Prozess verzögern. Analysten schätzen die Verluste für die Fischerei in Louisiana auf 3 Milliarden US$, für die Tourismusbranche ebenfalls auf 3 Milliarden US$ und die Reinigungskosten der Ölpest auf 3 – 4 Milliarden US$. Bereits am 3. Mai wurden von Experten die Gesamtkosten der Ölpest auf 14 Milliarden US$ geschätzt, Tendenz steigend. US-Innenminister Ken Salazar tönte in kaum zu überbietender Unkenntnis, man werde nicht ruhen, bis die sprudelnde Ölquelle geschlossen und „jeder Tropfen Öl“ beseitigt sei. Auch bei der Exxon Valdez-Ölpest konnten trotz aller Anstrengungen nur etwa 8 % des ausgetretenen Öls durch Reinigungs- und Bergungsmaßnahmen wieder beseitigt werden.
Es ist die Ironie des Schicksals, dass Obama entgegen seiner Wahlversprechen erst im März das jahrelange Moratorium für Ölbohrungen für andere Gebiete vor der US Küste aufgehoben hatte. Die Risiken hielt Obama für beherrschbar. „Wir schützen Gebiete, die wichtig sind für den Tourismus, die Umwelt und unsere nationale Sicherheit“, versicherte er damals. Der Slogan „Drill, Baby, Drill“, den der Republikaner-Chef Michael Steele im September 2008 auf einem Parteitag für Sarah Palin prägte und für den er stehende Ovationen bekam, erhält jetzt eine neue, bittere Bedeutung: „Spill, Baby, Spill“.
Noch ist unklar, welche Konsequenzen die Ölpest im Golf von Mexiko auf das noch bestehende Moratorium für Öl- und Gasbohrungen vor der Küste von BC und auf das bestehende Moratorium des Öltankerverkehrs entlang der Küste sowie das Northern Gateway Pipeline-Projekt von Enbridge von den Teersanden in Alberta nach Kitimat haben wird. „The loss of the Deepwater Horizon will fuel opposition to the project, but it may also add to the economic and international pressure for it to go ahead. If the American thirst for oil can’t be quenched with new supplies from offshore drilling, the Alberta oil sands may regain some of the lustre they have lost in the past couple of years over greenhouse gas emission concerns. If that happens, it will have to be sent to markets and the economic arguments for the Gateway project will become more compelling“, schrieb Craig McInnes am 29. April in der Vancouver Sun.
„In light of the failed attempts to clean up the oil that is spewing from a sunken rig in the Gulf of Mexico, First Nations and environmental groups are calling on the federal government to implement a permanent ban on oil and gas development and tanker traffic on the North Coast of British Columbia. Despite having the required safety mechanism on the Deepwater Horizon oil rig, an explosion occurred, the technology to stop the oil from spilling in to the ocean failed, and the weather delayed the clean up efforts“, heißt es in der Erklärung der Living Oceans Society vom 29. April 2010. „Over 30 years ago the federal and provincial governments prohibited oil and gas development and oil tankers on this coast because they knew that the threat of an oil spill was too great, a clean up too hard, and our ocean too valuable“, sagte Jennifer Lash von der Living Oceans Society. „They thought they could contain the spill off the coast of Louisiana but every day they appear to be having more challenges“, sagte Nikki Skuce von Forest Ethics. „Apparently oil rigs are a ‚considerably safer for the environment than tankers‘ – which isn’t much reassurance as we’re asked to risk our coast for Enbridge’s profits. An oil spill on our North Coast would be an imaginable tragedy.“
Wie überall auf der Welt – ob im Golf von Mexiko oder am Great Barrier Reef vor Australien – verhindern die Profitgier der Ölkonzerne und menschliches Versagen oder beides zusammen den sicheren Betrieb von Ölbohrinseln und einen sicheren Öltankerverkehr. Nach der Exxon Valdez-Ölpest im März 1989 stellte Dr. Rick Steiner, damals noch an der Universität von Alaska, fest: „In Alaska haben wir unsere Lektion auf die harte Tour gelernt. Von Industrie und Regierung wurden in den frühen 70er-Jahren viele Versprechungen gemacht, dass neueste Technologie sicherstellen würde, dass nicht ein einziger Tropfen Öl die Umwelt verschmutzen würde, aber wie wir durch die Exxon Valdez-Ölpest gesehen haben, wurden diese Versprechen schnell gebrochen.“ Aktuell zeigt sich, was die bisherige Risikoanalyse von BP zum Betrieb der Deepwater Horizon wert ist. Die Erklärung von Neil Sweeney, Chef für Öffentlichkeitsarbeit für das Northern Gateway Pipeline-Projekt von Enbridge, zu den Risiken des geplanten Öltankerverkehrs ist angesichts der aktuellen Ereignisse noch unglaubwürdiger geworden. Bereits im November 2008 erklärte er ohne jede Spur von Zweifel: „Wir glauben, dass wir diesen sicher bewerkstelligen können, und wenn wir es nicht glaubten, würden wir dieses Projekt nicht vorschlagen.“ Pat Daniel, Präsident der Enbridge Inc. versicherte am 30. April in der Globe and Mail zwar nochmals, der geplante Tankerverkehr werde so sicher wie nur irgend möglich sein, räumte aber ein: „But can we promise there will never be an accident? No. Nobody can.“ Es liegt an uns, ob wir immer wieder auf die beruhigenden Versicherungen der Ölkonzerne hereinfallen, oder ob wir aktiv werden, um Ölbohrungen und Öltankerverkehr in den sensibelsten und ökologisch wertvollsten Gebieten zu verhindern.
Längst ist die Pazifikküste von BC im Fokus der Begehrlichkeiten skrupelloser Öl- und Pipelinekonzerne. Der Druck der Konzerne auf die Provinzregierung von BC und die kanadische Regierung wächst, das nahezu vier Jahrzehnte alte Moratorium für Ölbohrungen und Öltankerverkehr vor der Küste endlich aufzuheben. Die Regierung scheint dem Druck schon bald nachgeben zu wollen. Dann wäre es nur noch eine Frage der Zeit, wann auch die Küste von BC und die Fjorde, Buchten und Inseln entlang des Great Bear Rainforest von einer katastrophalen Ölpest heimgesucht würden. Ob die Ölpest im Golf von Mexiko die Regierungen zum Umdenken bringen wird, erscheint fraglich. Vielleicht bedarf es eines massiven öffentlichen Drucks, um die beiden Regierungen zur Besinnung zu bringen und den Willen einer breiten Bevölkerungsmehrheit in BC zu respektieren: 75 % sprechen sich für ein Verbot des Öltankerverkehrs entlang der Küste von BC aus. „Our approach here in B.C. has been we would not support any oil and gas development unless it can be done in a safe way“, erklärte Umweltminister Barry Penner am 3. Mai. „Clearly the situation in the Gulf of Mexico raises a lot of additional questions.“
 
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