bears and more • Klaus Pommerenke
 
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16. Mai 2010
Kein Ende in Sicht bei der Ölpest im Golf von Mexiko
 
Der Versuch, austretendes Öl durch ein Rohr zu einem Schiff nach oben zu leiten, ist am 16. Mai gescheitert. Auch der Plan von BP, das Bohrloch am Meeresboden mit einer Stahlkuppel abzudichten, ist gescheitert. Vereistes Methanhydrat verhindert ein Abpumpen des Öls. Um ein Verstopfen der Kuppel durch eisähnlichen Methanhydrat-Schlamm zu verhindern, wird jetzt die Beheizung der Kuppel erwogen, der Einsatz von Ethanol oder das Absenken einer zweiten Stahlbetonglocke. Sollte dies scheitern, könnte nur eine Entlastungsbohrung in der Nähe des Lecks noch helfen. Dies könnte laut BP-Angaben bis zu drei Monate dauern. Ein Umbau des Blow-out-Preventers und ein Einspritzen schwerer Materialien, um das Leck zu verstopfen, scheint äußerst schwierig. BP nennt dies die „top kill“-Option. Ein BP Mitarbeiter erklärte derweil im US-Kongress, dass beide Prozeduren die Lage durchaus auch verschlimmern könnten. Bei einem Misserfolg könnten bis zu 60.000 Barrel Öl (9,546 Millionen Liter) pro Tag austreten, rund zwölfmal mehr als bisher. In der Pressemeldung vom 12. Mai erklärt BP: „All of the techniques being attempted or evaluated to contain the flow of oil on the seabed involve significant uncertainties because they have not been tested in these conditions before.“ Jetzt werden sogar einfache Mittel wie das Ausbringen von Ölsperren, die mit Haaren gefüllt sind oder das Verteilen von Strohballen auf dem Meer erwogen, um das Öl zu binden.
Nach einer Computeranalyse der Videoaufzeichnungen von Shell, die das ausströmende Öl aus dem Bohrloch zeigen, ist sich Steve Wereley, Professor an der Purdue University, sicher, dass statt der bisher geschätzten 700 Tonnen Rohöl (ca. 800.000 Liter) täglich sogar bis zu 9.500 Tonnen ausströmen könnten. Auch Ian R. MacDonald von der Florida State University glaubt nach der Analyse von Satellitenbildern, dass wenigstens 4 – 5 mal so viel Öl ausströmt als offiziell angegeben.
Vor der gescheiterten Aktion mit der Stahlkuppel hatte Lamar McKay, Chef von BP America, erklärt: „Das ist, als würde man in 5.000 Fuß Tiefe eine Operation am offenen Herzen durchführen, in der Finsternis und mit Roboter-gesteuerten Mini-U-Booten.“ Dies zeigt einmal mehr, wie unvorbereitet BP von dieser Katastrophe getroffen wurde und dass es keinerlei Pläne gab, einer Ölpest solchen Ausmaßes zu begegnen. Zwischenzeitlich wurden auch unglaubliche Schlampereien an der Deepwater Horizon bekannt. Der Blow-out-Preventer enthielt leere Batterien und eine nutzlose Testversion eines wichtigen Bauteils, in der Hydraulik gab es ein Leck, der erst Stunden vor der Explosion um das Bohrloch gelegte Zement-Kragen hielt dem Druck nicht stand, ein wichtiger Bohrloch-Drucktest am Morgen vor der Explosion sei „unbefriedigend“ ausgefallen und trotzdem wurde weitergearbeitet. Die US-Behörde „Minerals Management Service“ (MMS) hatte es unterlassen, die vorgeschriebene Umweltzulassung und die gesetzlich vorgeschriebene Stellungnahme der Wetter- und Ozeanografiebehörde einzuholen. Zudem sei Druck auf die MMS-Mitarbeiter ausgeübt worden, Befundergebnisse zu ändern, wenn diese vor einem Unglück oder einer Bedrohung der Tierwelt gewarnt hätten. Bohringenieur Patton von der MMS gab vor dem Untersuchungsausschuss zu, er habe den Zusicherungen von BP, dass alles in Ordnung sei, „blind vertraut“. Auf die Frage eines Ausschussvorsitzenden von der Küstenwache, ob dies „eine Art Selbst-Genehmigung“ für BP gewesen sei, antwortete er, dies sei wohl die Situation. Bejaht wurde auch, dass bei der Herstellung und Installation von Blow-out-Preventern keine staatliche Stelle Aufsicht führe. Nebenbei wurde bekannt, dass die Deepwater Horizon eigentlich als Bohrschiff unter der Billigflagge der Marshall-Inseln lief und nur die minimalsten Sicherheits- und Besetzungsstandards dieses mikronesischen Inselstaates erfüllen musste.
Die Ölbekämpfung mit Carexit 9500 des US-Chemiekonzerns Nalco birgt ebenfalls große Gefahren. Das Ausbringen dieses Mittels wurde jetzt auch unter Wasser erlaubt. Über 1,8 Millionen Liter wurden bereits aus Flugzeugen versprüht. Dieses Zersetzungsmittel trennt Öl in winzige, potentiell biologisch abbaubare Tröpfchen, die zu Boden sinken. BP behauptet, es wirke wie „Spülmittel“ und sei harmlos. „Die Mischung hat eine chemische Toxizität, die auf viele Weise schlimmer ist als das Öl“, warnte hingegen der Meeresbiologe Richard Charter. Nach Nalco-Angaben sei ein Inhaltsstoff des Mittels eine „moderate“ Gefahr für Menschen. Die Umweltgefahren seien ebenfalls nur „moderat“. In Großbritannien ist der Einsatz dieses Mittels allerdings seit 10 Jahren verboten.
Wie viel und wann BP für die Schäden, die durch die Ölpest verursacht werden, jemals zahlen wird, ist völlig offen. Zwar muss BP für die Säuberungsaktion zahlen, jedoch ist der Schadenersatzanspruch für die Umsatzausfälle von Fischern, Tourismusunternehmen und anderen Wirtschaftszweigen auf 75 Millionen US$ beschränkt. Ein amerikanisches Gesetz, das Oil Pollution Act, welches nach der Exxon Valdez-Ölpest verabschiedet wurde, schränkt die Höhe von Schadenersatzzahlungen auf diese Höhe ein. Diese Obergrenze haben sich die Ölkonzerne erkauft, indem sie für jedes Barrel Rohöl, das sie selbst fördern oder in die USA einführen, gerade einmal 8 US-Cent in den Sonderfonds Oil Spill Liability Fund einzahlen. Ein BP-Sprecher erklärte zwar, das Limit sei für BP „irrelevant“: „Von uns wird erwartet, mehr zu zahlen und dazu sind wir auch bereit.“ Doch BP-Chef Hayward sieht dies offenbar anders. Bei der Anhörung fragte ihn der US-Senator Bill Nelson: „Werden Sie die Verantwortung für die wirtschaftlichen Schäden übernehmen?“ Hayward antwortete: „Das ist etwas, mit dem wir uns noch beschäftigen müssen.“ BP wird ohnehin nur zu 65 % haften, da der Konzern nur zu diesem Prozentsatz an der gesunkenen Deepwater Horizon beteiligt war (25 % hielten Anadarko Petroleum, 10 % Japans Mitsui). Längst ist auch der Streit entbrannt zwischen den beteiligten Konzernen BP, Transocean (dem Bohrplattformunternehmen mit Sitz in Zug in der Schweiz) und Halliburton (zuständig für die Zementarbeiten auf der Ölplattform), wer schuld sei an der Ölpest und wer wenn überhaupt zahlen müsse. Selbst Präsident Obama sprach von einem „lächerlichen Schauspiel“. Der Streit der Juristen könnte Jahrzehnte dauern.
Die zeitlich befristeten Knebelverträge von BP für die Fischer, die für Ölbekämpfungsmaßnahmen angeheuert werden sollten und mit denen sie gleichzeitig eine Verzichtserklärung auf jegliche Schadenersatzansprüche gegen BP unterschreiben sollten, wurden erst nach einer Gerichtsanhörung gestrichen. Dies zeigt, wie BP sich mit allen Mitteln davor drückt, für angerichtete Schäden aufzukommen. Jedes erpresserische Mittel scheint dem Konzern hierbei willkommen zu sein.
Aktuell zeigen sich die amerikanischen Medien merkwürdig gleichgültig der Ölpest gegenüber, obwohl am 6. Mai das Öl bereits die Chandeleur Inseln von Louisiana erreicht hat. Zehn Tierschutzgebiete sind bedroht. Das Ministerium für Natur und Fischerei sieht 445 Fisch-, 45 Säugetier-, 32 Amphibien- und 134 Vogelarten unmittelbar gefährdet. Am 9. Mai erreichte das Öl schließlich die Dauphin-Inseln vor Alabama. Die Medien in BC reagieren kritischer als die US-Medien. Am 6. Mai erschien folgende Anzeige einer Koalition vom Umweltschutzgruppen in der Vancouver Sun, um die Öffentlichkeit gegenüber Versprechungen von Enbridge zu sensibilisieren, eine sichere Ölförderung, einen sicheren Pipelinebetrieb und einen sicheren Öltankerverkehr mit neuester Technologie sicherstellen zu wollen.
 
 
Schon vor der Ölpest im Golf von Mexiko wurde nachfolgend abgedruckte Erklärung der Coastal First Nations gegen das Enbridge Northern Gateway Pipeline-Projekt und gegen den geplanten Öltankerverkehr unterzeichnet. Enbridge-Präsident Patrick Daniel ist trotzdem optimistisch, dass der Pipelinebau trotz aller Widerstände der First Nations bereits 2015 fertig sein wird und erstes Öl von den Teersand-Abbaugebieten in Alberta nach Kitimat fließen wird. Die angestammten Rechte der First Nations über ihre Territorien zweifelt er schlichtweg an: „The way I read the laws of the country, they don’t have a veto, but we’ve got a regulatory process to go through.“ Daniel wirft den First Nations unberechtigterweise die Ablehnung jeglicher Ölförderung vor: „We walk in and expect to turn on the light switch or step on the gas pedal or turn up the thermostat and we expect everything to magically work … You can’t do that and oppose every energy development.“ Es geht sicherlich nicht darum, jegliche Ölförderung und jegliche Ölpipeline zu verhindern, sondern lediglich darum, sie in den letzten noch intakt gebliebenen Naturräumen von unschätzbarem ökologischen Wert zu verhindern – dort, wo die Ölförderung und der Öltransport mit Supertankern darüber hinaus aufgrund der geografischen Gegebenheit und schwierigster Wetterverhältnisse noch mit extremen Risiken verbunden ist. Dies scheint Patrick Daniel bis heute nicht begriffen zu haben, doch er zeigt bereits persönliche Ermüdungserscheinungen: „I hate to develop a project like Gateway with so many people opposed to it“, sagte er. „… I don’t like people running ads suggesting Enbridge is going to create an environmental disaster.“
„Enbridge is trying to convince Canadians oil tankers are safe at a time when the oil industry has zero credibility. One has only to see photos of BP’s burning oil platform to realize the ridiculous nature of such assurances. Oil platforms are safer than oil tankers – and look what can happen to them“, schrieben Art Sterrit und Gerald Amos von den Coastal First Nations am 11. Mai in der Vancouver Sun. „… Coastal First Nations firmly oppose the Enbridge Northern Gateway Pipeline. In accordance with traditional laws, we declared a ban on the transportation of oilsands crude oil through our territories. It is a declaration we will defend by whatever means necessary. It is one Enbridge would be wise to abide by. And yet Enbridge CEO Patrick Daniel doesn’t seem to be listening. … Daniel plans to file Enbridge’s pipeline application this month. If he does, he will ignite a united first nation’s campaign unlike any other our country has seen before. We will do everything in our power to let the world know the contempt Enbridge holds for first nations and our environment. And we will do everything we can to protect our coast from Enbridge’s pipeline and tankers. We invite you to join us.“
 
 
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