bears and more • Klaus Pommerenke
 
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19. April 2014
Volksentscheid in Kitimat: Bürger lehnen das
Enbridge Northern Gateway Pipeline-Projekt ab
 
In einem Volksentscheid am 12. April 2014 haben die Bürger von Kitimat die Pläne für das Northern Gateway Projekt der Enbridge Inc. abgelehnt. Gegen den Bau der Ölpipeline von den Teersande-Abbaugebieten in Alberta nach Kitimat und den Bau des gigantischen Öltanklagers und des Öltankerhafens in Kitimat stimmten 58,4 %, für die Realisierung des Projektes nur 41,6 %. Der massive Werbeaufwand des Enbridge-Konzerns, der mit allen Mitteln äußerst aggressiv versucht hatte, die Bürger von Kitimat für das Projekt zu gewinnen, ist verpufft. Die „vote no“-Kampagne der Umweltschutzgruppen – allen voran die kleine Douglas Channel Watch-Gruppe – war überzeugender und letztendlich erfolgreich.
„I am overwhelmed, I am feeling so good about the people here in Kitimat. Despite all the money, and all the cynicism, bullying that’s been going on here, people got together – native, non-native, neighbour to neighbour – and raised their voices tonight“, sagte der Abgeordnete Nathan Cullen nach Verkündigung des Abstimmungsergebnisses. Gerald Amos, der frühere Häuptling der Haisla First Nation von Kitamaat Village, sagte: „I think Enbridge and the government really don’t understand what happened tonight. But I think all of us [here in the crowd] do. Not just in this community of Kitimat but in the entire northwest – Terrace, Prince Rupert, Smithers, all points east.“ Prince Rupert, Terrace und Smithers hatten bereits früher Resolutionen gegen den Pipelinebau verabschiedet, jetzt schloss sich Kitimat als am meisten vom Projekt betroffener Ort an. Das Ergebnis des Entscheides ist für den Stadtrat von Kitimat zwar nicht bindend, doch dürfte Bürgermeisterin Joanne Monaghan nichts anderes übrig bleiben als es zu akzeptieren.
„Expect dead whales from Northern Gateway oil tankers, warn Kitimat locals“ lautete der Titel eines Artikels von Mychaylo Prystupa im Vorfeld des Volksentscheides am 11. April im Vancouver Observer. Doch nicht nur die Sorge um Wale und die Fischerei im Douglas Channel trieb die Einwohner von Kitimat um, es war die schiere Angst vor einer Ölpest weit schlimmeren Ausmaßes als bei der Havarie der Exxon Valdez im Golf von Alaska vor 25 Jahren. Auch Jäger aus Kitimat hatten gegen den Bau der Northern Gateway Pipeline protestiert, da sie um die Elchpopulation entlang der Pipelineroute fürchteten. Die vagen Versprechungen von Arbeitsplätzen während der Bauphase und der Betriebsdauer der Pipeline und die Prophezeiungen eines blühenden Wohlstandes für Kitimat bewegten die Einwohner nicht dazu, sich für das Projekt auszusprechen. Viele befürchteten auch, dass es in einer „boom-town“ Kitimat zu ähnlich schlimmen Verhältnissen kommen würde wie in Fort McMurray (Kritiker nennen es Fort McMoney), dem Zentrum des Teersande-Abbaus in Alberta: Extrem hohe Lebenshaltungskosten, nahezu unerschwingliche Mieten, hohe Kriminalitätsraten, steigender Drogenkonsum, ein angesichts des neuen Ölrausches auseinanderfallendes soziales Gefüge in der Stadt.
Ein weiterer Schlag gegen das Northern Gateway Projekt kam von Seiten der Yinka Dene Alliance, einer Gruppe von First Nations aus dem Norden von BC. Auf einem Treffen am 11. April bei Fort Saint James erklärte die Allianz offiziell, dass sie den Bau der Northern Gateway Pipeline durch ihr angestammtes Territorium entschieden ablehnt. „The Yinka Alliance’s decision to end negotiations is clearly a big blow for the project. Critically, the communities’ ancestral territories represent one quarter of the pipeline’s 1177 km length“, schrieb Mychaylo Prystupa am 12. April im Vancouver Observer (Yinka Dene pipeline communities ban Northern Gateway. The list of Aboriginal communities and municipalities opposed to Northern Gateway grew, with the addition of Yinka Dene Alliance for First Nations, from north central B.C.).
Der Enbridge Konzern zeigte sich völlig unbeeindruckt vom Volksentscheid in Kitimat gegen das Northern Gateway Projekt und der Ablehnung durch die Yinka Dene Alliance. Kurz nach Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses in Kitimat erklärte Danny van Dyk, Northern Gateway Manager of Coastal Aboriginal and Community Relations: „Over the coming weeks and months we will continue to reach out and listen to our neighbours and friends so that Northern Gateway can build a lasting legacy for the people of our community … while there is support for Northern Gateway in Kitimat we have more work to do.“ Nathan Cullen entgegnete auf diese Ignoranz, das Votum der Bürger von Kitimat zu akzeptieren: „This is deeply offensive to people, like they’re saying ‚we’ve heard you and we’re going to ignore you‘.“
Indessen wächst der Druck auf Premierminister Stephen Harper und den neuen kanadischen Natural Resources Minister Greg Rickford (er löste im März den bisherigen Minister Joe Oliver ab), das Enbridge Northern Gateway Projekt abzulehnen. Bis Mitte Juni dieses Jahres hat die Regierung Harper noch Zeit, über die Empfehlung des Joint Review Panel für den Bau des Projektes – unter Einhaltung von 209 wachsweich formulierten Bedingungen – zu entscheiden (vgl. Meldung vom 21.12.2013 auf dieser Website). Die Entscheidung Stephen Harpers und Greg Rickfords für das Projekt dürfte trotz des erneut gewachsenen Widerstandes in BC längst feststehen. Was das oberste Ziel der Politik der konservativen Regierung unter Stephen Harper ist, zeigt die jüngste Äußerung von Greg Rickford am 11. April 2014 in Montreal: „I propose that we look at opportunities that an evolving global market offers us: in particular, the benefits across Canada of expanding and diversifying export markets for our natural resources.“ (Harper government pressured to reject Northern Gateway after Kitimat defeat. Canada’s new Natural Resources Minister must decide before mid-June if the Northern Gateway project goes forward. Mychaylo Prystupa, Vancouver Observer, 13. April 2014). Die Regierung Harper wird sich allerdings bewusst sein, dass ein Ja zur Realisierung des Northern Gateway Pipeline-Projektes zu jahrelangen juristischen Auseinandersetzungen führen wird und zu einem erbitterten Widerstand aller First Nations, deren legitime Interessen tangiert werden und deren Territorien die Ölpipeline durchschneiden würde. Es wäre mit allen Mitteln des zivilen Ungehorsams zu rechnen und die Baumaßnahmen könnten sich viele Jahre hinauszögern. „Hundreds of people call me asking ‚where do we go to stand in front of the bulldozers to stop Northern Gateway?‘“, sagte Art Sterritt, Vorsitzender der Coastal First Nations bereits letzten Monat.
Bis 2020 will Alberta die Tagesproduktion von Öl aus den Teersanden auf 3,8 Millionen Barrel (604,6 Millionen Liter) steigern und bei der aktuell fraglichen Realisierung der Keystone XL-Pipeline in den USA gewinnen die Pläne für die Energy East Pipeline von Trans Canada an die Ostküste Kanadas zunehmend an Bedeutung (vgl. Meldung vom 22.02.2014 auf dieser Website). Neben den asiatischen Märkten als Abnehmer des schmutzigen Öls aus den Teersanden ist seit der Krim-Krise und den Abspaltungsbemühungen ostukrainischer Gebiete auch die EU als Absatzmarkt für Öl aus den Teersanden für Kanada zunehmend interessant geworden. Sollte Russland sich als unzuverlässiger Partner für Öl- und Gaslieferungen an die EU erweisen und Putin aus strategischen Gründen die Öl- und Gashähne zudrehen, so könnte Kanada sich als verlässlicher Lieferant und Bündnispartner anbieten, baldmöglichst die aus Russland ausbleibenden Lieferungen zu ersetzen. Russland lieferte Deutschland 2012 36,3 % des Öls und Kanada könnte bei politischen Schwierigkeiten mit Russland bald dessen Rolle übernehmen. Durch die Energy East Pipeline an die Ostküste Kanadas könnte womöglich früher Öl fließen als durch die Northern Gateway Pipeline nach Kitimat. Da die Regierung Harper das Öl aus den Teersanden Albertas möglichst rasch auf den Weltmarkt bringen will, könnte ein Nein zum Northern Gateway Projekt und eine Ausrichtung des zukünftigen Ölexports Kanadas nach Europa das Aus für die Pläne des Enbridge-Konzerns bedeuten. Dies würde einerseits Hoffnung bedeuten für den Great Bear Rainforest und die Westküste Kanadas, wo das Risiko einer verheerenden Ölpest kleiner werden würde, andererseits müsste die EU über die neu zu fassende Treibstoffqualitätsrichtlinie entscheiden, ob sie das besonders klimaschädliche Öl aus den Teersanden Albertas als sicherere oder bessere Alternative zu russischem Öl zu importieren bereit ist. Auf dem Höhepunkt der Krim-Krise unternahmen bereits zahlreiche Vertreter der kanadischen Regierung und der kanadischen Öl- und Gasindustrie Versuche, bei der EU direkt und bei europäischen Ländern Kanada als verlässlichen Lieferanten und als baldigen Ersatz für russische Öl- und Gaslieferungen anzupreisen.
Die Entscheidung der kanadischen Regierung für oder gegen den Bau des Enbridge Northern Gateway Projektes, die Mitte Juni ansteht, wird angesichts der Krise in der Ukraine nicht nur Auswirkungen haben auf den Great Bear Rainforest und die Küste von BC, sondern auch eine strategische und geopolitische Bedeutung haben, welche sich auf die langfristigen Öl- und Gaslieferverträge der EU und Deutschlands auswirken wird.
 
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