bears and more • Klaus Pommerenke
 
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1. Januar 2015
Rückblick auf das Jahr 2014, Ausblick auf 2015
 
Liebe Freunde und regelmäßige Besucher von bears-and-more, liebe Unterstützer, die sich für den Schutz der pazifischen Regewaldküste einsetzen,
rückblickend brachte das Jahr 2014 einige für den Great Bear Rainforest fatale politische Entscheidungen. Am 17. Juni hatte die kanadische Regierung den Bau der Enbridge Northern Gateway Pipeline und den Bau des Öltankerhafens in Kitimat erlaubt. Am 16. Dezember gab die Provinzregierung von BC grünes Licht für die Realisierung des Site C – Staudamm-Projektes am Peace River bei Fort St. John, auch um den gewaltigen Energiebedarf von immer neuen Flüssigerdgas-Fabriken entlang der Küste von BC decken zu können. Das 8,78 Milliarden CAD teure Projekt wird das Peace Valley mit wertvollen Lebensräumen von Wildtieren, fruchtbares Ackerland und archäologische Stätten von First Nations zerstören. Geplanter Baubeginn soll schon im Sommer 2015 sein.
Für das Enbridge Northern Gateway Pipeline-Projekt gab es zwar weitere Erkundungen, doch ist ein Baubeginn noch nicht in Sicht. Der Inbetriebnahme-Zeitpunkt im Jahr 2018 ist nach offizieller Einschätzung der Enbridge Northern Gateway Pipelines nicht zu halten. Derzeit verfolgt die Provinzregierung von BC 19 LNG-Projekte (LNG: Liquefied Natural Gas): 6 Gaspipeline-Bauvorhaben und 13 LNG-Exportterminals/LNG-Fabriken. Bis zu 5 LNG-Fabriken sollen alleine am Ende des Douglas Channel entstehen. Viele Bewohner von BC betrachten den Bau der Gaspipelines und der Flüssigerdgasfabriken nicht nur als realistischer als den Bau der Ölpipeline nach Kitimat, sondern auch als das kleinere Übel – noch. Die Fracking-Operationen im Nordosten von BC werden gewaltige negative Auswirkungen auf die Natur haben, auf Oberflächen- und Grundwasser, auf die Luftqualität, die Lachsvorkommen in den Flüssen, auf die Wildvorkommen in den Wäldern. Über 50.000 Gasförderstationen werden das Land parzellieren und nachhaltig verändern.
 
Spielende junge Grizzlybären © Klaus Pommerenke
 
Die volle Umsetzung der Schutzziele des Great Bear Rainforest-Abkommens wurde auch 2014 nicht erreicht, trotz aller Beteuerungen, an den Zielen festzuhalten. Ob jemals das angestrebte Ziel, 70 % eines jeden im Urwald vorhandenen Ökosystems vor dem Holzeinschlag und anderen Zerstörungen zu bewahren, erreicht werden wird, ist offen. Angesichts der neuen Öl-, Gas- und Bergbauprojekte erscheint selbst das dauerhafte Einhalten des bescheideneren Schutzziels von 50 % schon äußerst schwierig. Bestehende Parkgrenzen sind in BC für Industrieprojekte kein Hindernis mehr: Alleine Kinder Morgan will für seine Trans Mountain Pipeline vier Grenzen verändert haben. Welch zynische und perverse Unternehmenskultur in diesem Konzern herrscht, zeigt sich nicht nur an den juristischen Klagen bei den aktuellen Protesten am Burnaby Mountain, sondern auch in Aussagen zum ökonomischen Nutzen von Ölpest-Ereignissen. Gegenüber dem National Energy Board erklärte Kinder Morgan: „Pipeline spills can have both positive and negative effects on local and regional economies, over the short- and long-term. Spill response and clean-up creates business and employment opportunities for affected communities, regions, and clean-up service providers, particularly in those communities where spill response equipment is, or would be, staged.“
Der Widerstand gegen die Realisierung des Enbridge Northern Gateway Projektes ist ungebrochen. Bis über die bereits jetzt laufenden 18 Klagen gegen die Joint Review Panel-Empfehlung für den Bau des Projektes entscheiden ist, kann es ein bis zwei Jahre dauern. Gegen das Site C-Staudamm-Projekt formiert sich eine neue Klagewelle. Chief Stewart Phillip von der Union of B.C. Chiefs nannte den Beschluss der Provinzregierung zum Bau eine „schlecht beratene, unglaublich einfältige Entscheidung“. Auch gegen die Erweiterung der Trans Mountain Pipeline von Alberta nach Vancouver ist der Widerstand riesengroß. Gemessen am Jahr 2010 würde der Schiffsverkehr nach Vancouver um 574 % anwachsen, mehr als 400 Öltankerfahrten pro Jahr würden die Gefahr einer Ölpest in der Salish Sea enorm steigern. Noch hat das National Energy Board nicht sein mit Sicherheit zu erwartendes „Ja“ verkündet. In völlig undemokratischer Weise beschnitten wurden allerdings schon die Anhörungsmöglichkeiten aller von dieser Pipelineerweiterung und dem Öltankerverkehr Betroffenen vor diesem Gremium, vor allem der First Nations. Durch eine Gesetzesänderung (Bill C-38, einem Gesetzespaket zur Legitimierung jedweder Umweltzerstörungen zugunsten von Industriewünschen) wurde das Environmental Assessment Act so zurechtgebogen, dass zukünftig Öl- und Gasprojekte möglichst schnell und ohne zeitraubende Anhörungen Betroffener durchgepeitscht werden können.
 
Fluke eines abtauchenden Buckelwals © Klaus Pommerenke
 
Vielleicht werden 2015 die immens wichtigen Anstrengungen von allen Umweltschutzorganisationen in BC zum Schutz des Great Bear Rainforest unterstützt – ganz unfreiwillig und unverhofft – von einer veränderten ökonomischen und politischen Lage. Der Ölpreis ist so niedrig wie schon lange nicht mehr, es herrscht vorübergehend eine Öl- und Gasschwemme auf dem Weltmarkt und vielen Fracking-Firmen brechen bei steigenden Förderkosten und sinkenden Preisen die Gewinne weg. Auch der Teersande-Abbau in Alberta droht bei einem Ölpreis von teilweise unter 60 US$ pro Barrel äußerst unrentabel zu werden – vorerst. Die „Peak Oil“-Warnungen, wonach die globale Förderung bereits in der Nähe des Maximums ist, sind vielleicht 10 – 20 Jahre zu früh geäußert worden, doch einen langen Aufschub bedeutet der aktuelle Fracking-Boom nicht. Russland, das rund 40 % seiner staatlichen Einnahmen aus dem Ölexport bezieht, ist durch den niedrigen Ölpreis hart getroffen. Der Rubel verlor drastisch an Wert. Die EU will von russischem Öl und Gas unabhängiger werden und Kanada setzt alles daran, das Teersande-Öl Albertas nach Osten zu bringen, um es von dort in die EU zu exportieren. Hierdurch wird der Bau der Enbridge Northern Gateway-Pipeline nach Kitimat an Bedeutung verlieren und eventuell sogar für Enbridge endgültig unwirtschaftlich werden. Dem Great Bear Rainforest blieben die Gefahren einer Ölpest aus einem Pipelineleck oder aufgrund einer Öltankerhavarie entlang der Küste erspart. Die EU als Abnehmer des Öls aus den Teersanden wird für Kanada umso lukrativer, je mehr die Ukraine-Krise fortbesteht und die USA von Öl- und Gasimporten zunehmend unabhängiger werden. Der Fracking-Boom in den USA könnte jedoch früher vorbei sein als gedacht. Während die US-Energiestatistikbehörde EIA (Energy Information Administration) davon ausgeht, dass die Erdgasproduktion aus den Schiefergasfeldern (Marzellus-, Barnett-, Fayetteville- und Haynesville-Formationen) noch bis 2040 ansteigen wird, prognostizieren texanische Forscher aufgrund ihrer genaueren Rasterung der Förderfelder schon für 2020 den Höhepunkt der Schiefergasproduktion. Für 2030 prognostizieren sie eine Fördermenge, die nur noch halb so groß ist wie die optimistischen Annahmen der EIA.
Die USA liegen bei der Rohölförderung dank des Fracking weltweit auf Platz 3 hinter Russland und Saudi-Arabien. Die USA können bereits täglich über 400.000 Barrel Rohöl exportieren. Trotzdem müssen sie noch Öl importieren, vor allem aus Kanada und Saudi-Arabien, um den Irrsinn eines Pro-Kopf-Verbrauchs von 1,8 Barrel Öl pro Monat fortsetzen zu können. Die Netto-Importrate der USA lag 2005 noch bei 60 %, 2015 werden es jedoch nur noch 20 % des Verbrauchs sein.
Anders sieht es in Deutschland aus. Der Primärenergieverbrauch Deutschlands wurde 2013 zu 33 % über Erdöl gedeckt, zu 22 % durch Erdgas, zu 12 % durch Braunkohle, 13 % durch Steinkohle, 11,5 % durch Erneuerbare Energien und 8 % durch Atomkraft. Nur 2 % des Erdöls und 12 % des Erdgases stammen aus deutscher Förderung, d. h. Deutschland als einer der großen Energieverbraucher weltweit wird auch zukünftig den allergrößten Teil seiner Energierohstoffe importieren müssen. Öl aus den Teersanden Albertas wird zukünftig wohl einen Teil dieses Energiebedarfs decken. Die EU hat bereits durch die veränderten Durchführungsbestimmungen zur Kraftstoffqualitätsrichtlinie den Weg für dieses schmutzige Öl nach Europa geöffnet und alle Handelsschranken im Vorfeld von CETA beseitigt.
Bei der Stromgewinnung lagen 2014 immerhin die Erneuerbaren Energien bei 25,8 %, die wiedererstarkte Braunkohle leider wieder bei 25,6 %, Atomstrom erfreulicherweise nur noch bei 15,9 %.
 
Junger Schwarzbär mit gefangenem Buckellachs © Klaus Pommerenke
 
Ende 2015 wird die Weltklimakonferenz in Paris stattfinden. Bis März 2015 sollen alle Staaten der Welt ihre „freiwilligen Selbstverpflichtungen“ zur Reduktion der Treibhausgas-Emissionen bei den Vereinten Nationen einreichen. Am Ziel, die Erderwärmung bis 2100 auf 2° zu begrenzen, um katastrophale Folgen zu verhindern, wird zwar festgehalten, gegenwärtig ist jedoch je nach Rechenmodellen von einem Temperaturanstieg von 3 – 5° auszugehen. Auch die deutschen Treibhausgas-Emissionen sind 2014 wohl das vierte Jahr in Folge gestiegen – dank der Politik von Gabriel und Merkel. Die globale Erwärmung wird nicht nur unsere europäischen Wälder gravierend verändern, auch die Zusammensetzung der Baumarten im Great Bear Rainforest wird einer starken Veränderung unterliegen und die Krise der Forstwirtschaft in BC verstärken. Kanada und besonders BC tragen durch ihre Kahlschlags-Forstpolitik, der riesige Waldgebiete zum Opfer fallen, zu einem guten Teil zum Klimawandel bei. Exportiert wird das Holz auch nach Deutschland. Die Deutschen leisten sich einen jährlichen Verbrauch von 244 kg Papier, Pappe und Karton pro Kopf. Deutschland verbrennt und verbraucht doppelt so viel Holz wie nachwächst. 2013 wurden in deutschen Wäldern 53,2 Millionen cbm eingeschlagen, verbraucht wurden jedoch 105 Millionen cbm. Der größte Teil des deutschen Holzimports stammt aus dem Raubbau nord- und osteuropäischer Länder und aus Kanada, aus nicht-nachhaltiger Forstwirtschaft.
Die durch den Klimawandel verursachte steigende Ozeantemperatur hat auch Auswirkungen auf die Lachspopulationen. Forscher der University of B.C. untersuchten schon die Anpassungsfähigkeit junger Königslachse (Chinook salmon) an steigende Wassertemperaturen. Bei einem Temperaturanstieg von 2,6° gäbe es eine 17%-ige Wahrscheinlichkeit für einen katastrophalen Populationsverlust bis zum Jahr 2100; bei einem Anstieg um 4,3° läge diese Wahrscheinlichkeit bei 98 %. Die Folgen für die südliche Population der „Resident“ Orcas sowie für Bären wäre ebenfalls verheerend. Letztendlich wäre das ganze Ökosystem betroffen. Die Geschwindigkeit des Klimawandels würde die Anpassungsfähigkeit vieler Arten überfordern und womöglich zu einem großen Artensterben führen. Während Kanada Milliarden ausgibt zur Förderung von Öl- und Gasprojekten, die den Klimawandel noch beschleunigen, wird der Schutz bedrohter Tierarten seit vielen Jahren vernachlässigt. Von 369 als bedroht eingestuften Tierarten (vom Committee of the Status of Endangered Wildlife in Canada – COSEWIC) hat sich bei 115 der Zustand der Population noch verschlechtert, bei 202 blieb der Zustand unverändert bedroht und nur bei 52 verbesserte sich der Zustand, das sind nur 5,4 %. Von 221 nach dem Species at Risk Act (SARA) als bedroht eingestuften Arten müssten die für das Überleben der Art wichtigen Lebensräume längst erfasst sein. Dies ist jedoch nur bei 56 Arten vollständig erfolgt.
Die Provinzregierung von BC hält immer noch an der unethischen Trophäenjagd auf Bären und Wölfe fest. Das Lusttöten von Bären wurde auch 2014 von der Provinzregierung als Sport und cooles Freizeitvergnügen propagiert. Längst ist eine breite Bevölkerungsmehrheit in BC gegen diese Trophäenjagd und auch alle von der Provinzregierung genannten ökonomischen Argumente, dass die Trophäenjagd wegen der Steuereinnahmen unverzichtbar sei, sind längst mehrfach von unabhängiger Seite als unwahre Behauptungen widerlegt. Die nächsten Wahlen in BC werden erst 2017 sein und so lange werden jedes Jahr noch tausende Bären und Wölfe nach dem Willen der Provinzregierung getötet werden. Der Wolf Management Plan in BC gleicht einem neuen barbarischen Ausrottungsfeldzug gegen Wölfe in allen Gegenden, in denen Viehzucht betrieben wird. Am 19. Oktober 2015 werden in Kanada Wahlen stattfinden. Es bleibt zu hoffen, dass die konservative Regierung unter Stephen Harper in ihrer blinden Gier nach Petrodollars und ihrem Streben, Kanada zu einem neuen Saudi-Arabien zu machen, abgelöst werden wird. Eine neue kanadische Regierung wird hoffentlich den Klimaschutz wieder ernster nehmen, nicht immer wieder durch juristische Klagen zur Einhaltung der eigenen Umweltschutzgesetze gezwungen werden müssen, sich auf demokratische Grundstrukturen rückbesinnen und einen ökologisch vertretbareren Regierungskurs verfolgen.
 
Bitte engagieren Sie sich auch 2015 für den Schutz des pazifischen Küstenregenwaldes und unterstützen Sie die Umweltschutzorganisationen vor Ort, die sich unermüdlich für die Erhaltung dieses einzigartigen und kostbaren Ökosystems einsetzen!
 
Schlafender Spiritbär im Küstenregenwald © Klaus Pommerenke
 
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