bears and more • Klaus Pommerenke
 
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18. September 2009
Erst bleibt der Lachs aus, dann sterben die Bären.
Umweltministerium eröffnete trotzdem am 10. September
die Herbstjagdsaison auf hungernde Bären
 
Bereits letzten Herbst begann das, was sich jetzt als ökologisches Desaster entpuppt: schon längst sollten die Bären in Erwartung des Laichzuges der Lachse an die Flüsse gezogen sein, doch dieses Jahr tauchten sie nicht wieder auf, sie blieben bislang verschwunden. „So etwas habe ich noch nie erlebt. Es gab einen riesengroßen Rückgang bei der Zahl der Bären, die wir sehen“, berichtete Doug Neasloss, Führer von Bärbeobachtungstouren der Kitasoo/Xaixais in Klemtu. Entlang von 16 Flüssen im Territorium der Kitasoo wurden kaum Bären gesehen. „Seit 11 Jahren mache ich dies, doch das ist das Schlimmste, was ich je erlebt habe“, sagte Doug. „Letztes Jahr sah ich am Mussel River 27 Bären. Dieses Jahr sind es sechs. Das ist nur ein Hinweis darauf, wie es überall aussieht.“ An einem anderen Fluss beobachtete Doug letztes Jahr 12 Schwarzbären und drei Spirit-Bären, dieses Jahr sah er nur drei Schwarzbären und keinen einzigen der Spirit-Bären mehr.
Seit mehreren Jahren kehren die Lachse in immer kleinerer Zahl in ihre Laichgewässer entlang des nördlichen und mittleren Küstenabschnitts von BC zurück, besonders dramatisch war es letzten Herbst. Mit dem Ausbleiben der Lachse fehlte den Bären die wichtigste Nahrungsgrundlage, um sich den nötigen Winterspeck zulegen zu können. Ohne Fettreserven mussten sich viele hungrig und mager in ihre Winterhöhlen zurückziehen. Es folgte ein außergewöhnlich langer und kalter Winter im mittleren und nördlichen Gebiet, den manche Bären ohne entsprechende Fettreserven nicht überlebt haben dürften. „Niemals zuvor habe ich im Herbst hungrige Bären gesehen, aber letztes Jahr waren sie am Verhungern“, berichtete Doug. „Im Frühjahr tauchten dann weniger Bären als sonst auf, aber ich dachte, es sei voreilig, Schlüsse zu ziehen … aber jetzt gibt es fast gar keine Bären. Es ist erschreckend … ich glaube, viele sind tot. Sie sind vermutlich in ihren Winterhöhlen gestorben.“ Die Flussläufer (Stream Walker, Creek Walker), die seit einem Monat entlang der Lachsflüsse der gesamten Küste unterwegs sind, um für die staatlichen Stellen den Laichzug zu erfassen bzw. die rückkehrenden Lachse zu zählen, berichten das Gleiche: Sie sehen keine Bären mehr! Am Alarmierendsten ist, dass diesen Herbst auch keine Bärinnen mit diesjährigen Jungen gesichtet wurden. Weder Doug Neasloss noch andere Führer konnten diesjährige Jungbären beobachten, lediglich Fred Seiler aus Terrace fand die Spur von einer Bärin mit einem einzigen Jungen. Bei fehlenden Fettreserven der Bärinnen kommt es – nach der Befruchtung im Juni – erst gar nicht Ende November/Anfang Dezember zur Festsetzung der Blastozyten im Uterus, die Blastozyten werden wieder abgestoßen. So werden im Frühjahr erst gar keine Jungbären geboren, deren Überlebenschance bei abgemagerten und geschwächten Bärinnen ohnehin äußerst gering wäre.
Trotz des nahezu kompletten Fehlens des Bärennachwuchses des Jahres 2009 und eines dramatischen Rückgangs von Bärbeobachtungen entlang der Lachsflüsse begann am 10. September die Herbstjagdsaison auf Grizzlybären und Schwarzbären in BC. Tom Ethier vom Umweltministerium von BC (Ministry of Environment, Fish and Wildlife Branch) erklärte, die Jagd müsse trotzdem stattfinden: „The fall hunt will go ahead as scheduled and we will consider all information as we do every year.“ Die übereinstimmenden Berichte sowohl der Flussläufer, vieler First Nations und Führer von Bärbeobachtungstouren entlang der gesamten Küste wurden von ihm herablassend als lediglich „anekdotenhaft“ bzw. als bloße Einzelbeobachtungen ohne Objektivität bezeichnet. Das Ministerium wolle sich erst einen eigenen Überblick verschaffen, um „objektive“ Daten anstelle „anekdotenhafter“ zu erhalten. Untersucht werden soll allerdings nur ein einziges Flussgebiet (Kimsquit). Wie hierüber „objektive“ Zahlen für die gesamte Küste hochgerechnet werden sollen, bleibt völlig schleierhaft. Tom Ethier vom Umweltministerium erklärte, dass die Zählung der Bären dort auch erst nach Beginn der Jagdsaison stattfinden solle – eine Farce ohnegleichen. Ethier argumentierte, dass die Bären vielleicht nur nicht entlang der Flüsse zu beobachten seien, da sie bereits wieder – in gleicher Populationsgröße wie immer – fernab der Flüsse nach Beeren suchten. Damit machte er sich die gleichen Argumente zu Eigen wie die Trophäenjagdveranstalter sie zur Beruhigung einer besorgten Öffentlichkeit in BC benutzten. Ethier musste jedoch einräumen, dass aufgrund von Nahrungsmangel im Jahr 2009 nur sehr wenige Jungbären geboren worden seien.
Wie so oft in der Vergangenheit schlägt sich das Umweltministerium unbeirrt mit dem Festhalten an der Herbstjagdsaison auch unter diesen alarmierenden Umständen treu auf die Seite der Trophäenjägerschaft und ignoriert alle warnenden Stimmen und beunruhigenden Beobachtungen derer, die entlang der Küste in den kleinen Gemeinden des Great Bear Rainforest leben. „This is the whole coast saying the bears are in the worst danger they’ve ever been in“, sagte Fred Seiler von den Silvertip Ecotours in Terrace, der seit über 30 Jahren Bären beobachtet. „If I was a government scientist, I wouldn’t allow any bear-hunting this fall.“ „Dies ist ein unerträgliches, verheerendes Wildtier-Management“, erklärte Ian McAllister von Pacific Wild zum Festhalten des Umweltministeriums an der Herbstjagdsaison auf Bären. „How Environment Minister Penner can simply ignore the eyes and ears of the coast that include so many experienced professionals is simply negligent. If the Ministry of Environment actually had biologists working in the field, they would clearly be as concerned as we are having years of familiarity with the region and the wildlife that live within it. Instead, this indicates that British Columbia is being held hostage by the trophy hunting lobby.“ Die Herbsttrophäenjagd auf abgemagerte und verhungernde Bären wird die ohnehin schon rückläufige Grizzlypopulation noch weiter dezimieren. Erst im Oktober 2008 hatte das Umweltministerium die von vielen unabhängigen Biologen jahrelang als völlig überhöhte Schätzung kritisierte Zahl von 16.887 Grizzlybären in BC nach unten korrigieren müssen auf nur noch 16.014 Bären – 873 weniger als noch im Jahr 2004. Auch diese Schätzung betrachten viele Wildbiologen, die nicht für das Ministerium arbeiten, noch als viel zu hoch und auf untauglichen Schätzmethoden beruhend. Nach wie vor geht das Umweltministerium unter Missachtung der aktuellen Situation des Herbstes 2009 davon aus, dass sogar bis zu 9 % aller Grizzlybären jährlich getötet werden können ohne die Population zu gefährden. Die aktuelle Tötungsquote der Grizzlybären (im Englischen „harvest rate“ genannt) liegt je nach Jagdbezirk bei maximal 6 % der vom Ministerium geschätzten Grizzybärenpopulation.
In den letzten vier Jahren waren die Hundslachse, auch Ketalachse (Chum salmon, Oncorhynchus keta) genannt, in extrem geringer Zahl zum Laichen in die Flüsse entlang der Nordküste von BC zurückgekehrt. Die Hundslachse sind aufgrund ihrer Größe und ihres Gewichts (sie wiegen 5 – 10 kg, einzelne sogar bis zu 21 kg) im Herbst eine wichtige Nahrungsquelle für die Bären, um sich den nötigen Winterspeck zulegen zu können. 2008 wurden z. B. im Fischereigebiet 6 (Fisheries Management Area 6, Douglas Channel, Gardner Canal, Gebiete um die Inseln Campania, Gill, Gribbell, Hawksbury, Princess Royal, Aristazabel) nach einem Bericht des Department of Fisheries and Oceans (DFO) in der Stellnetzfischerei nur noch 3008 Hundslachse gefangen. Im Schnitt der letzten 10 Jahre zuvor waren es noch 106.000 gewesen. „River systems, that in the past had 50.000 to 60.000 chum had now got 10 fish“, berichtete Ian McAllister. „The chum runs had been fished out. We’ve seen the biological extinction of [salmon] stocks, and now we’re seeing the impacts on bears.“ Sowohl der jüngste Zusammenbruch der Rotlachsbestände im Fraser River als auch das weitgehende Ausbleiben der Hundslachse entlang der Nordküste sollte für das DFO ein Alarmsignal sein, die Fischereipolitik zu überdenken. „This should be a huge red flag for DFO … but they continue to manage British Columbia’s salmon fishery in a total state of denial“, erklärte Fred Seiler. „Even as we speak, they are still considering more [salmon fishing] openings when not enough fish have returned to the rivers.“
In einer gemeinsamen Erklärung forderten Ian McAllister, Doug Neasloss und Fred Seiler die Regierung dazu auf, die Hundslachs-Fischerei vorläufig zu schließen und auch die Herbstjagdsaison auf Bären auszusetzen. Ihr Appell verhallte ungehört und Ian McAllister stellte bitter fest: „DFO has once again ignored conservation concerns and permitted overfishing in Area 6 on the B.C. North Coast.“
 
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