bears and more • Klaus Pommerenke
 
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15. Juni 2010
Zunehmender Unterwasserlärm beeinflusst die Kommunikation von Walen
 
Eine Studie von Blauwalen im St. Lorenz Golf vor der Ostküste Kanadas zeigt, dass Blauwale ihre Lautäußerungen in Folge des Unterwasserlärms seismischer Untersuchungen signifikant erhöhen. In diesem Gebiet nehmen die Wale Nahrung auf und geben nur wenige Sekunden dauernde Laute von sich (1 – 4 Sekunden lang, Frequenz 230 – 200 Hz) – im Gegensatz zu den langen „Gesängen“, die über extrem weite Ozeandistanzen zu hören sind. „The calls are used for short-range communication within the range of a few hundred meters“, erklärte die Walforscherin Lucia Di Iorio von der Universität Zürich (Lucia Di Iorio & Christopher W. Clark: Exposure to seismic survey alters blue whale communication. Biology letters 2010, 6, 51 – 54). „And the frequency band they use is exactly where the main energy of those seismic pulses is located.“ An Tagen mit seismischen Tests gaben die Blauwale zweieinhalb Mal so viele Lautäußerungen von sich als an Tagen ohne solche Tests. Nach Einschätzung der Forscher müssen die Wale ihre Laute, um Informationen zu erhalten, mehrfach wiederholen, da ihre Lautäußerungen durch den Lärm blockiert oder abgeschwächt wurden. Verwendet wurden für die seismischen Tests nur elektrische Auslöser (sparker) bzw. Impulsgeber, die etwas leiser sind (193 dB) im Vergleich zu den Detonationen der sonst üblicherweise verwendeten Airguns. „Our research doesn’t say anything about whether this increase in call rates is negative for the animals, but of course it’s not positive and it may be stressful“, sagte Di Iorio. „But we should definitely reconsider these things, because clearly it’s not only the sound level that’s important; and one thing might be not to do the test when there are lots of whales around.“
„Behavioural responses to noise exposure are generally highly variable and context dependent … Travelling blue and fin whales exposed to seismic noise from airguns have been reported to stop emitting redundant songs (Mc Donald et al. 1995; Clark & Gagnon, 2006). By contrast, we found increased production of the transient, none-redundant calls during seismic sparker operations. This suggests that blue whales response to noise interference according to the context and the signal produced. For animals engaged in near-term, proximate communication, there is probably an advantage in acoustic behaviours that maintain the immediate social link, while for animals engaged in long-term singing directed to a distant audience, information loss is minor if singing is temporarily interrupted.“
Der Artikel schließt mit folgender Bewertung der Ergebnisse: „Reducing an individual’s ability to detect socially relevant signals could therefore affect biologically important processes. This study suggests careful reconsideration of the potential behavioural impacts of even low source level seismic survey sounds on large whales. This is particularly relevant when the species is at high risk of extinction as is the blue whale (IUCN 2008).“
Unterwasserlärm stört die Kommunikation von Walen und auch deren Nahrungsaufnahme. Nach IUCN (International Union for the Conservation of Nature) stellt der Unterwasserlärm eine signifikante Bedrohung von Walen und Delfinen dar. In manchen Ozeanregionen, z. B. im Pazifik, hat sich der Unterwasserlärm in den letzten 60 Jahren alle zehn Jahre verdoppelt. Besonders gefährlich für die Wale sind militärische Sonar-Experimente. Das Sonar ist eine Schallmesstechnik zur Ortung und Vermessung von Gegenständen unter Wasser. Das Wort ist ein englisches Akronym von „Sound navigation and ranging“, Schall-Navigation und Entfernungsbestimmung. Im militärischen Bereich eingesetzte Niederfrequenz-Sonarsysteme (Low Frequency Active Sonar, LFAS) können mit ihrem Schalldruck von bis zu 240 dB zu unkontrollierten Flucht- bzw. Auftauchreaktionen führen und Meeressäuger, vor allem einige Walarten, massiv schädigen. Diese erleiden physiologische Schäden, Gehirnblutungen und Gefäßverletzungen. Es kommt zu Bläschenbildung im Blut und zu Herz-Kreislauf-Versagen. Seismische Tests mit Airguns („Luftpulsern“) erzeugen Geräusche mit bis zu 255 dB. Lautstärken von über 146 dB gelten für Taucher als lebensgefährlich, 160 dB können Knochenfische töten.
Am 24. September 2002 kam es nach militärischen Sonar-Experimenten vor den Kanarischen Inseln zur Strandung von 17 Beaked Whales (Cuvier-Schnabelwale, Ziphius cavirostris, Blainville-Schnabelwale, Mesoplodon densirostris, Gervais-Zweizahnwale, Mesoplodon europaeus). 2004 strandeten nach Marinemanövern wieder vier Schnabelwale auf den Kanaren, 2006 vier Cuvier-Schnabelwale im Mittelmeer vor Südspanien. Untersuchungen der Wale ergaben Fettembolien in Blutgefäßen und Blutungen der inneren Organe. Sie litten offensichtlich unter einer Art „Dekompressionskrankheit“, verursacht durch plötzliches Auftauchen infolge der militärischen Sonar-Experimente. Paul Jepson vom Institute of Zoology in London erklärte damals: „We think it’s a syndrome of decompression sickness.“ Antonio Fernandez von Veterinärlabor der Universität von Las Palmas auf Gran Canaria erläuterte nach der Untersuchung der Beaked Whales: „The dive profile is different from the sperm whale and the pilot whale, other deep-diving species … they go down just as fast, but they come up much slower; and when they reach the surface they go into this pattern of shallower dives – 400 m, 300 m, 200 m – and our interpretation is that they need this, and if they break this dive profile they can enter in a risky situation, into a decompression-like sickness“. Auch Paul Jepson kommt zu gleichen Schlüssen: „Military sonar systems tend to use frequencies around 1 kHz to 5 kHz … And that may be close enough to the sound of a killer whale to disturb the animals and make them change their diving behaviour – particularly in young animals that haven’t learned how to distinguish ocean sounds as well.“ Er sieht einen klaren Zusammenhang zwischen Walstrandungen und militärischen Sonar-Experimenten: „There is a very good correlation between naval sonar and the mass strandings of beaked whales, going back to the 1960s.“
Auch auf Schiffslärm reagieren Wale mit deutlichen Veränderungen ihres Kommunikationsverhaltens. Doyle et al. (2008) konnten dies für Buckelwale in Südost-Alaska nachweisen, Buckstaff (2004) für Delfine (Bottlenose Dolphins) in Florida. Der ständige Lärm von Ölbohrplattformen ist neben der von ihnen ausgehenden Gefahr einer Ölpest wie im Golf von Mexiko ein weiteres Problem. Neben Walen und Delfinen versuchen auch viele Fischarten den lärmverseuchten Ozeanzonen zu entfliehen. Damit sind Wale und Delfine doppelt vom Lärmangriff betroffen: neben dem Lärmstress droht die Gefahr, dass auch die meisten Beutetiere abwandern und die wenigen, die übrig bleiben, sind schwieriger zu orten. Die Gefahr von Schiffskollisionen nimmt mit dem gestiegenen Schiffsverkehr für die Wale ebenfalls deutlich zu.
Nur einen Teilerfolg gab es zwischenzeitlich für die letzten westpazifischen Grauwale vor Sachalin. Von Mai bis November zieht eine kleine Restpopulation dieser Grauwale (maximal 100 – 130, davon nur 35 Walkühe im gebärfähigen Alter) in die Nähe der Piltun-Bucht im Nordosten der Insel Sachalin. Genau dort wird Öl gefördert (täglich über 12 Millionen Liter), es herrscht Öltankerverkehr und das Getöse der Bohrungen sowie weiterer seismischer Tests vertreibt die Grauwale aus ihren Nahrungsgründen. Die Grauwale, die sich über Schallwellen orientieren und über sie kommunizieren, reagieren äußerst empfindlich auf den Lärm. Für den letzten Sommer stoppte das Sachalin-Energie-Konsortium (maßgeblich Gazprom und Shell) weitere seismische Tests, doch BP und Exxon Mobile planten trotzdem weitere seismische Untersuchungen und scherten sich aus Profitgier nicht um diese Grauwale, die von der IUCN schon längst auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Arten stehen.
Trotz aller Bedrohungen der Wale plant die Internationale Walfangkommission (IWC) Island, Japan und Norwegen den kommerziellen Walfang wieder zu erlauben, nachdem schon jahrelang unter dem Etikettenschwindel „Walfang zu wissenschaftlichen Zwecken“ Wale getötet wurden. Diese Länder sollen Fangquoten für 1.392 Wale jährlich erhalten. Diese Fangquoten, die das Walfangmoratorium von 1986 beenden würden, sind Teil eines Kompromissvorschlags, über den auf der Konferenz des IWC vom 21. – 25. Juni 2010 in Marokko abgestimmt werden soll. Norwegen soll dann jährlich 600 Zwergwale töten dürfen, Island 160 Wale und Japan in den nächsten fünf Jahren 632 Wale. Als „Gegenleistung“ müssten diese Walfangländer der Schaffung eines Walschutzgebietes im Südatlantik zustimmen. Das internationale Verbot des Handels mit Walprodukten durch das Washingtoner Artenschutzabkommen (CITES) würde dann wohl ebenfalls aufgehoben.
 
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