bears and more • Klaus Pommerenke
 
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3. Oktober 2010
Unerwartet viele Rotlachse kehrten 2010 in den Fraser River
zurück – Experten sehen hierin keine Trendwende,
sondern nur eine seltene und einmalige Ausnahme
 
Wie schon letztes Jahr lag das Department of Fisheries and Oceans (DFO) mit seiner Prognose über die Anzahl der in den Fraser River zurückkehrenden Rotlachse (Sockeye salmon, Oncorhynchus nerka) grotesk daneben und bewies erneut die Untauglichkeit seiner Berechnungsgrundlagen. Nach der schlimmen Fehlprognose von 2009 (vorhergesagt wurden 10,6 bis 11 Millionen, tatsächlich zurückgekehrt sind nur ca. 1 Million) war das DFO vorsichtiger: es prognostizierte die Rückkehr von 10,6 Millionen Rotlachsen. Tatsächlich werden es jedoch 30 bis 34 Millionen sein, die wohl größte Lachswanderung im Fraser River seit 1913. Seit über 20 Jahren war die Anzahl zurückkehrender Lachse gesunken. Was die Faktoren für die überaus zahlreiche Rückkehr wenigstens dieser Lachse (für die anderen Lachsarten sah es eher schlecht aus) im Jahr 2010 sind, ist allen ein Rätsel. Viele sehen dies als wohl einmalige Ausnahme im sonst unaufhaltsamen Populationsrückgang. „This year was miraculously positive, but one year does not make a trend“, sagte die Biologin Alexandra Morton. „For a population which has exploited the salmon for so many years, we really do not understand the ecological value of these fish“, stellte Daniel Lousier von Social Ecology Institute von BC fest. Auch er mahnt zur Vorsicht und gibt keinerlei Entwarnung für diese Rotlachspopulation. Dieses Jahr wurde so viel gefischt (wohl ca. 13,3 Millionen Rotlachse), dass die Verarbeitungskapazitäten der Fabriken nicht ausreichten und sogar das Eis knapp wurde, um den Lachs zu lagern. Manche wollten noch mehr Lachse abfischen, um zu verhindern, dass zu viele laichen würden („over-spawning“) – ein irriges Argument. „That’s absolute nonsense. That over-spawning theory has been debunked. There’s no waste in nature. It all gets used.“, erklärte Vicky Husband.
Der jetzige Lachsfang-Boom am Fraser River dürfte einige Subpopulationen der Rotlachse sogar noch weiter dezimieren. Seit 2008 werden diese Subpopulationen von der IUCN (International Union for the Conservation of Nature) auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Arten geführt. Trotz aller internationalen Proteste und vieler Warnungen von Wissenschaftlern entschloss sich der Marine Stewardship Council (MSC) – offensichtlich neuerdings zu einer Lobbygruppe der Fischindustrie verkommen – zu der MSC-Zertifizierung der Rotlachsfischerei im Fraser River. „Some people have argued that too many salmon are returning this year, and they we must allow the fishing industry to catch more of them if we are to ensure healthy runs in the future. But all the available science shows that when more fish return to spawn, the following cycle will be more abundant. Salmon are never „wasted“. Even those that don’t spawn provide food for the insects that in turn provide food for the salmon that hatch on the spawning grounds, contributing to the health of subsequent stocks. And they provide food and nutrients for bears, eagles, and forests. On top of that, the fishing plan for 2010 allows high catch rates even for the endangered populations. The 2010 plan allows fishing of up to 30 per cent of the critically endangered Cultus stock, even though scientists recommend that fishing should not exceed 12 per cent. Along with habitat damage and loss, warmer waters because of climate change, and parasite and disease impacts from open-net salmon farms, this could pose a threat to the long-term viability of the Fraser River salmon“, schrieben David Suzuki und Faisal Moola hierzu am 9. September. Die krasse Fehlentscheidung des MSC am 30. Juli 2010 die Rotlachsfischerei im Fraser River als „sustainable managed fishery“ zu zertifizieren erntete weltweit heftige Proteste. Diese Fischerei konnte wegen akuter Bedrohung des Fischbestandes 2009 gar nicht erst aufgenommen werden und sie war davor drei Jahre lang nur für First Nations erlaubt, nicht jedoch für kommerzielle Zwecke. Die MSC-Entscheidung wurde als „völlig absurd“, „Ökolüge“, „ignorant“, „nothing more than eco-fraud and greenwashing“ bezeichnet und führte dazu, dass prominente Mitglieder des MSC wie der Biologe Otto Langer aus Protest zurücktraten. „If you can’t have a fishery because there’s no fish, how can it be a sustainable fishery? It doesn’t make any sense whatsoever“, erklärte er. Zwischenzeitlich werden Verbraucher in BC und auch in Europa davor gewarnt, auf diesen MSC-Schwindel hereinzufallen. Es wird dringend davon abgeraten, überhaupt noch MSC-zertifizierte Rotlachsprodukte zu kaufen, da man nicht sicher sein kann, aus welchen Ländern bzw. Flüssen dieser Rotlachs stammt. Viele Kritiker meinen, dass der MSC inzwischen äußerst unkritisch schlichtweg alles zertifiziert, was die Fischereiindustrie ihm vorlegt. Viele Organisationen und Umweltschutzgruppen zweifeln längst an der Fachkunde, Unabhängigkeit und vor allem an der Seriosität des MSC und denken über eine neue, wirklich glaubwürdige Kennzeichnung von Fischprodukten nach. Im renommierten Wissenschaftsjournal „Nature“ wurden die Zertifizierungspraktiken des MSC erst jüngst gebrandmarkt (Seafood stewardship in crisis. Jennifer Jacquet et al. Nature 467, 28 – 29, Sept. 2010). Das Zertifizierungssystem „is failing to protect environment and needs radical reform“, stellten die Autoren fest.
Die von den Zuchtlachsfarmen im Broughton Archipelago ausgehende Seelauskonzentration gilt nach wie vor als eine der Hauptursachen für eine Schwächung und möglicherweise für den Tod vieler vorbeischwimmender Junglachse. „Maybe the migrating fry making up this year’s run went south to the open ocean instead of running the gauntlet of salmon farms in the north“, wird Barbara Wilson im Courier-Islander vom 22. September zitiert. So hätten die Rotlachse, die jetzt zurückgekehrt sind, als Junglachse bei ihrer Wanderung ins Meer die Parasitendusche der Zuchtlachsfarmen vermeiden können. Doch dies ist eine Spekulation, die zu überprüfen ist. David Welch entwickelte bereits eine Technik, mit der sich Fischwanderungen im Ozean verfolgen lassen. Er konnte feststellen, dass junge Rotlachse einige Wochen nach ihrer Wanderung durch die Johnstone Strait, dem Gebiet mit der höchsten Lachsfarmenkonzentration, starben. Diese Befunde legte er auch der höchstrichterlich eingesetzten Cohen-Kommission vor, die den dramatischen Rückgang zurückkehrender Rotlachse letztes Jahr untersucht. Mitte November soll die Kommission erste Untersuchungsergebnisse über mögliche Ursachen des Populationsrückgangs vorlegen, den Schlussbericht dann Ende Januar 2011. Zwei an der juristischen Aufarbeitung dieses Problems beteiligte Umweltschutzgruppen forderten am 22. September die Lachsfangindustrie, die Provinzregierung von BC und die Kanadische Regierung auf, bisher unter Verschluss gehaltene Daten über Fischgesundheit, Einsatz chemischer Mittel, Schädlingsbefall und den Fischbesatz der Lachsfarmen bekannt zu geben. „The groups maintain that the data are needed by the inquiry in order for it to properly fulfil its mandate and without them, no one can assess whether salmon farms have harmed Fraser sockeye. In response, the salmon farm representatives have objected to full disclosure of the requested information. All implicated parties are addressing their reservations about data disclosure in a hearing before the Commission in Vancouver today. While some basic fish health data are publicly available, their utility is extremely limited from a scientific standpoint and do not fully inform the public about the negative effects of open net pen farms on B.C.’s wild salmon“, heißt es in einer Presseerklärung der Coastal Alliance for Aquaculture Reform. „This information is critical to understanding wild salmon health in B.C.“, sagte Tim Leadem von Ecojustice. „The Inquiry’s task is to find out why wild salmon numbers are fluctuating so dramatically, but unless the salmon farming industry makes the data accessible, we’re all just scrambling for answers in the dark.“ Offensichtlich hat die Lachsfarmindustrie in BC gute Gründe, diese Daten unter Verschluss zu halten. Viele vermuten, dass hierdurch illegale Geschäftspraktiken, der wahre Schädlingsbefall der Zuchtlachse durch Parasiten und auch der gelegentlich überhöhte Einsatz chemischer Substanzen verschleiert werden soll. „We all know why people keep secrets and this is unethical“, sagte Alexandra Morton. „Secrecy is not an option. If they can’t tell us what they have released into public waters, we should be very concerned, they are destroying public confidence.“
Zwar zeigt der von der Provinzregierung von BC am 22.09.2010 vorgelegte „2009 Fish Health and Aquaculture Inspection Report“, dass der Antibiotikaeinsatz auf den Lachsfarmen zurückgegangen sei und sich auch die Seelauskonzentration im Broughton Archipelago insgesamt etwas verringert habe, aber solange die Lachsfarmindustrie weitgehend selbst die Daten an die Regierung liefern darf, dürfte dies nur die halbe Wahrheit sein. Leicht wird hierdurch ein zu positives Bild vorgegaukelt. Alleine 2009 entkamen bei 51 Vorfällen wieder 72.745 Zuchtlachse aus den Lachsfarmen (2008 waren es 111.826). „In one single incident, 48.822 Atlantic salmon were reported to have escaped after two netcages failed. The net failure was attributed to low dissolved oxygen levels in the environment leading to extremely high mortalities of penned fish. The accumulated weight of the mortalities on the bottom of the nets caused them to tear“, heißt es zum Beispiel im Bericht (S. 15). Fünf Fischfarmen verstießen gegen den in ihrer Lizenz festgesetzten Höchstbesatz mit Zuchtlachsen, jedoch wurden keinerlei Strafen ausgesprochen. Dies sei „not in the public interest because an environmental impact of the overproduction could not be demonstrated …“ (S. 46). Dies ist geradezu eine Ermutigung für die Fischfarmen, weiterhin gegen Regeln und Gesetze verstoßen zu dürfen. Wie es unter den Fischfarmen aussieht, interessierte die Provinzregierung gar nicht, auch wenn in den Sedimenten Grenzwerte für chemische Substanzen überschritten wurden. „Where chemical standards are exceeded, biological samples for marine benthic organisms may be collected for compliance purposes. No biological sampling was undertaken in 2009“ (S. 44).
Einige Stimmen wurden laut, dass die zahlreiche Rückkehr der Rotlachse 2010 die Untersuchungskommission zur Klärung der Ursachen für die extrem schlechte Rückkehr von 2009 überflüssig machen würde. Doch so lange die Unterschiede von 2009 und 2010 nicht geklärt sind, wird niemand wissen können, ob die ursächlichen Probleme für diese Schwankungen in dem seit 20 Jahren sich abzeichnenden Bestandsrückgang auch gelöst sind.
Was könnte die von allen unerwartet hohe Zahl zurückkehrender Rotlachse dieses Jahr erklären? Der Fischbiologe John Reynolds berichtete, dass der Zyklus der Rotlachse im Fraser River alle vier Jahre eine Spitze aufweist: „This is the peak of the cycle … it’s a new role on the dice next year.“ Auch die Ozeantemperatur für diese ins Meer wandernde Junglachspopulation, die jetzt zurückkehrte, könnte besonders günstig gewesen sein: „The best information we have is the Pacific Ocean was cooler when they went to sea in 2008 than it was when the fish from the previous year went out in 2007“, erklärte er. Nur wenige andere wagen bislang Erklärungsversuche, so zum Beispiel Will Soltau in seinem Artikel „Abandoned Fraser sockeye returns in 2010 not a sign of general recovery“:
„So what happened this year? There are about 40 different genetic subgroups of Fraser River sockeye. Each subgroup usually has a return each year, but the size of that return can vary substantially from year to year. A significant portion of this year’s return is made up of Adams River sockeye (among other dominant year subgroups), which brings us to two important points:
  1. Some subgroup returns are predictably strong in certain years. This year’s Adams River sockeye was expected to have a strong return partially because it’s in its dominant year. A report published in 2002 by the DFO notes this phenomenon as „cyclic dominance“. The report states „… cyclic dominance leads to spectacular returns to the Adams River every four years. Although there are many ideas about why this occurs, nobody knows for sure“.
  2. Despite the overall good return to the Fraser this year, some individual subgroups such as the Cultus and Sakinaw are recommended to be listed as endangered by the Committee on the Status of Endangered Wildlife in Canada (COSEWIC). True recovery requires healthy returns across the 40 different subgroups of Fraser River sockeye and for multiple years in a row, not just for one or a few subgroups in their dominant year – such as the case this year. The maintenance of sockeye diversity in the Fraser is key, as it maximizes the sockeye’s ability to adapt over the long-term, and maximizes the chance of a healthy return every year.
The return this year, much higher than DFO had predicted, only highlights the complexity of the issue and gaps in knowledge concerning the plight of BC wild salmon populations. Most notable among the knowledge gaps are the records currently withheld by net pen salmon farming operators concerning sea lice and disease on the farms. While some very basic information is available, its utility is extremely limited from a scientific standpoint and it does not inform the public about the negative threats open net pen farms pose to our ecosystems. Useful information is not publicly available and therefore scientists studying impacts on wild salmon populations are unable to research and assess this dimension of the problem. … This summer’s Fraser River sockeye abundance is a potent reminder of what we could come to expect more regularly, once we succeed in re-establishing healthy and diverse wild salmon populations. So let’s celebrate the strength and resilience of this fish while we continue working to remove threats to their survival by transitioning open net pen salmon farms to closed containment aquaculture.“
 
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