bears and more • Klaus Pommerenke
 
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2. Dezember 2010
Was der Schutz der Lachse mit dem
Funktionieren der Schutzgebiete an Land zu tun hat
 
Ein Artikel von Dr. Chris Darimont von der University of California/Santa Cruz und neun anderen Wissenschaftlern sorgte nach seinem Erscheinen am 21. Oktober nicht nur in BC, sondern kanadaweit für anhaltende Diskussionen (Darimont, C. T. et al. (2010). Salmon for terrestrial protected areas. Conservation Letters, Vol. 3 (6), S. 1 – 11). Die Idee zu dieser Arbeit entstand, als ein Forscher aus den USA zur Zeit der Lachswanderung an der Küste von BC Chris Darimont fragte, ob die Lachse, die in einem Fluss in einem Schutzgebiet laichten, denn geschützt seien. Darimont musste verneinen und mitteilen, dass einen Kilometer flussabwärts an der Flussmündung ein Fischerboot gerade dabei war, bis zu 50 % dieser Lachse wegzufischen – mit allen Konsequenzen für das Ökosystem an Land.
Die Wissenschaftler stellen in ihrem Artikel die Frage, inwieweit ein an Land ausgewiesenes Schutzgebiet wirklich als geschützt gelten kann, wenn die Tierart, der die Schlüsselfunktion zukommt für das Funktionieren des gesamten Ökosystems dort – der Lachs – nicht gleichzeitig mit geschützt wird. „The question arises whether a protected area is truly protected when its foundation species, in this case Pacific salmon, are not safeguarded and are subject to such high levels of exploitation“, erklärte Dr. Chris Wilmers von der University of California, Mitautor der Studie. Die Pazifischen Wildlachse stellen das Bindeglied dar zwischen weit voneinander entfernten Ökosystemen im Meer und an Land. Ihnen kommt eine zentrale Bedeutung zu, wenn sie während ihres Laichzuges die Flüsse hinauf auch den an der Küste und an Land lebenden Tieren als Nahrung dienen und wenn sie nach dem Ablaichen mit ihren Kadavern Flüsse und auch den Waldboden in den Flusstälern düngen. „Although more than a hundred wildlife species – like grizzly bears, wolves, and eagles – depend on salmon, fisheries often capture more salmon than all the animals combined, even from runs bound for protected areas that were created to safeguard these wildlife“, sagte Dr. Darimont. Was nützen die ausgewiesenen Schutzgebiete an Land den Grizzly-, Schwarz- und Spirit-Bären, wenn man ihnen ihre wichtigste Nahrungsgrundlage zum Aufbau des Winterspecks wegfischt? „Places like Gwaii Hanes, the Kitlope Valley and the Khutzeymateen Grizzly Sanctuary were set aside to protect key wildlife and ecosystems that evolved with salmon. Yet recommendations to reduce the harvest on the runs, so the benefits of salmon could sustain the species and parks being protected, have never been seriously considered“, erläuterte Dr. Paul Paquet von der Raincoast Conservation Foundation. Derzeit erlaubt die kanadische Fischereipolitik, dass 50 % – in Ausnahmefällen sogar bis zu 90 % – der zurückkehrenden Lachse eines Laichzuges weggefischt werden dürfen. Nach Berechnungen von T. Reimchen von 1995 entnahm die kommerzielle Fischerei um die Queen Charlotte Islands herum schon damals doppelt so viel Biomasse an Lachsen wie Wasserraubtiere und Seevögel zusammen. Nur noch ein Drittel der aus dem Meer stammenden Nährstoffe dürfte heutzutage noch über die Lachse in Seen und Flüsse zurückkehren, zwei Drittel gingen seit 1900 durch die kommerzielle Überfischung verloren. Alle fünf Pazifischen Wildlachsarten sind in ihrem Vorkommen um 13 – 50 % zurückgegangen. 2008 wurden nur noch in 4 % der in BC untersuchten Lachsflüsse die vom Fischereiministerium (Department of Fisheries and Oceans, DFO) vorgegebene Laichzielgröße erreicht. In den an der Küste ausgewiesenen Schutzgebieten (Provincial und National Parks, Conservancies, Ecological Reserves) liegen viele Lachsflüsse und in diese Flüsse alleine kehrt 70 % der Biomasse an Lachsen von ganz BC zurück. Auch bezogen auf die Gesamtfläche der Provinz BC liegen Zahlen vor: 21,1 % der lachsführenden Flüsse mit 29,2 % der gesamten Biomasse an zurückkehrenden Lachsen liegen in bzw. führen zu Schutzgebieten in BC.
Alle diese Lachspopulationen müssten prinzipiell einen verbesserten Schutz erhalten, um das Funktionieren der Ökosysteme der an Land ausgewiesenen Schutzgebiete zu gewährleisten. Dies ist – wie die Forscher selbst einräumen – ein radikal anmutender Ansatz, der noch weit von der aktuell betriebenen maximalen Ausbeutungs-Fischereipolitik entfernt ist. Der Vorschlag der Forscher ist trotzdem klar formuliert: „We propose that some salmon populations (‚runs‘), or considerable portions thereof, that are bound for British Columbia terrestrial protected areas be granted protection from exploitation … our proposal to allocate more salmon to ecosystems is consistent with a global movement towards ecosystem-based fishery management. In theory, this management paradigm reserves the order of management priorities to start with the ecosystem rather than maximizing catches of target species.“
Das DFO hat zwar schon 2005 in der sogenannten „Wild Salmon Policy“ ausdrücklich festgestellt, dass der Nutzen der Lachse nicht nur für die Fischerei, sondern auch für das gesamte Ökosystem und alle Tiere, die auf den Lachs angewiesen sind, in der Fischereipolitik berücksichtigt werden sollte. Einen Plan, diese Überlegungen umzusetzen, gibt es allerdings bis heute nicht. Auch das Umweltministerium von BC begnügte sich bislang mit Feststellungen, dass der Rückgang der Lachspopulationen eine Gefahr für Parks und Schutzgebiete darstellen könne. Im Plan für das Kitlope Conservancy z. B. wurde 2007 festgestellt, dass die Anzahl zurückkehrender Hunds-, Buckel- und Silberlachse auf unter 10 % dessen gefallen war, was in den letzten vier Jahrzehnten zurückgekehrt ist. Konsequenzen aus diesen Zahlen wurden nicht gezogen, geschweige denn Schutzpläne entwickelt.
Die Autoren der aktuellen Studie betonen, dass zur Umsetzung ihrer Vorschläge Fischerei- und Parkmanager bzw. die für die Schutzgebiete an Land zuständigen eng zusammenarbeiten müssen und dass aus politischen Gründen wohl nur eine schrittweise Reduktion der Lachsfangquoten möglich erscheint. Aus verschiedenen Gründen schlagen sie zunächst nur eine Verringerung der Fangquote für Buckel- und Hundslachse vor, die zum Laichen in die Flüsse der Schutzgebiete ziehen: „… they spawn at high densities and so contribute substantial marine subsidies to upstream areas, spend most of their lives offshore, are fished in a terminal manner, and because they are the least commercially valuable of the Pacific salmon. For these reasons, we believe that a reduction in exploitation on pink and chum bound for terrestrial protected areas could maximize ecological benefits of salmon while minimizing the economic impacts of harvest reduction, and thus represents a compromise between ecological and societal demands for salmon resources.“ Ein hundertprozentiges Fangverbot fordern die Forscher nicht.
Die bisherigen Wirtschaftlichkeitsrechnungen gehören ebenfalls auf den Prüfstand: einer reduzierten Lachsfangquote für die Fischerei müssen andere, eventuell steigende Einkünfte aus verbesserten Wildbeobachtungsmöglichkeiten gegenüber gestellt werden. Auch bei sinkender Lachsfangquote gehen die Einkünfte der Fischer nicht unbedingt zurück, wie Beispiele aus Alaska zeigen. Rekordfänge führen immer wieder zum Preisverfall, zumal der Markt ohnehin immer mehr mit billigen Zuchtlachsen aus den Fischfarmen überschwemmt wird. Im Oktober 2010 wurde in den Supermärkten von BC der Buckellachs für 30 kanadische Cent pro Pound (453 Gramm) angeboten, zu einem Preis, der für die Fischer ruinös ist.
Bis Kanada seine 2005 formulierte Wild Salmon Policy auch nur ansatzweise umgesetzt haben wird und auch die Vorschläge der aktuellen Studie aufgegriffen werden, kann noch viel Zeit verstreichen. Doch der Druck, sich von der fehlgeleiteten Fischereipolitik zu verabschieden, wächst von Monat zu Monat. „Current maximally exploitative fisheries policies for Pacific salmon do not account for the needs of wildlife and ecosystems … Without changes, species like BC’s coastal grizzlies that are particularly depend on salmon will decline; salmon-dependent species already at great risk, such as BC’s small and endangered population of southern resident killer whales, could face declines that might ultimately lead to their disappearance“, heißt es in der Pressemitteilung der Raincoast Conservation Foundation zur aktuellen Studie (Salmon management should include allocation for wildlife).
 
Nachfolgend finden Sie eine kurze englische Zusammenfassung des Artikels „salmon for terrestrial protected areas“:
„Although managers safeguard protected areas for migratory species, little consideration has been given to how migratory species might benefit parks. Additionally, whereas land-sea connections are considered in management of protected areas, most effort has focused on reducing negative ‚downstream‘ processes. Here, we offer a proposal to promote positive ‚upstream‘ processes by safeguarding the seasonal pulse of marine nutrients imported into freshwater and riparian ecosystems by spawning migrations of Pacific salmon. Currently, high rates of fishing limit this important contribution to species and processes that terrestrial parks were designed to protect. Accordingly, we propose limiting exploitation in areas and periods through which salmon runs bound for terrestrial protected areas can migrate. Best suited for less commercially valuable but relatively abundant and widespread pink and chum salmon (O. gorbuscha and keta), our proposal thus considers ecosystem and societal needs for salmon. We conclude by outlining strategies to overcome socio-economic barriers to implementation“ (Darimont, C. T. et al. (2010). salmon for terrestrial protected areas. Conservation Letters, Vol. 3 (6), S. 1 – 11).
 
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