|
|
6. Dezember 2010 |
Studie weist in Gewässern mit vielen Zuchtlachsfarmen einen deutlich erhöhten Befall junger Wildlachse mit Seeläusen nach |
|
Bereits im November wurde im Canadian Journal of Fisheries and Aquatic Sciences eine Studie veröffentlicht, die in Zusammenarbeit mit der Raincoast Conservation Foundation entstanden ist und gegen welche die Zuchtlachsfarmen-Industrie schon kurz nach ihrem Erscheinen Sturm gelaufen ist (Price, M. H. H., Morton, A. und Reynolds, J. D. (2010). Evidence of farm-induced parasite infestations on wild juvenile salmon in multiple regions of coastal British Columbia, Canada. Can. J. Fish. Aquat. Sci. 67, S. 1925 – 1932). Grund sind die Ergebnisse dieser Untersuchung: es besteht ein offensichtlicher Zusammenhang zwischen dem stark erhöhten Seelausbefall junger Hundslachse (Chum salmon, Oncorhynchus keta) und junger Buckellachse (Pink salmon, O. gorbuscha) und dem Vorhandensein von Zuchtlachsfarmen, die als Quelle und Brutstätte dieser Parasitenplage in Frage kommen. |
Zwei Jahre lang wurden über 13.000 Junglachse entlang der Küste von BC auf ihren Befall mit Seeläusen untersucht (Lepeophtheirus salmonis und Caligus clemensi) und zwar in drei Gebieten mit unterschiedlicher Konzentration von Lachsfarmen (Finlayson, Georgia Strait und Broughton Archipelago) und in einem Gebiet um Bella Bella herum, in dem es keine Lachsfarmen gibt (siehe Fig. 1). |
|
|
|
Neben der Konzentration der Lachsfarmen in einem bestimmten Gebiet, der Fischgröße und dem Seelausbefall der jungen Hunds- und Buckellachse wurde auch die Höhe der Wassertemperatur und der Salzgehalt erfasst, da diese Faktoren mit höherem Seelausvorkommen einhergehen. Diese Faktoren wurden mit berücksichtigt, um zu einer Vergleichbarkeit der vier Untersuchungsgebiete zu kommen. Auch innerhalb der drei Lachsfarmgebiete wurden die gefangenen jungen Wildlachse differenziert auf den Seelausbefall untersucht, je nachdem, ob sie in hohem Maße den Lachsfarmen ausgesetzt waren (d. h. sehr nahe bei ihnen gefangen wurden) oder nur in geringem Maße den Lachsfarmen ausgesetzt waren (d. h. noch weiter von ihnen entfernt gefangen wurden). |
Der Seelausbefall sowohl der jungen Hunds- als auch der Buckellachse war über alle Lachsfarmgebiete am niedrigsten, wenn die jungen Wildlachse den Lachsfarmen nur wenig ausgesetzt waren und am höchsten, wenn sie diesen stark ausgesetzt waren. Unter Kontrolle der anderen Variablen wie z. B. der Salzkonzentration des Meerwassers wurde der geringste Seelausbefall der Junglachse im Gebiet von Bella Bella gefunden, wo es gar keine Zuchtlachsfarmen gibt. Der Seelausbefall der jungen Wildlachse war am schlimmsten im Gebiet der Georgia Strait, wo auch die Zuchtlachsproduktion der Lachsfarmen am größten ist. „Louse prevalence increased at sites of high exposure to salmon farms, and this was most prominent in the regions with the highest salmon production“, heißt es in der Studie. Die Autoren fassen die Ergebnisse ihrer Untersuchung zusammen: „Louse prevalence and abundance were lowest and most similar to natural baseline levels at low-exposure sites and highest at high-exposure sites in all farm regions. A significantly greater proportion of the lice were Lepeophtheirus salmonis at high-exposure sites. Exposure to salmon farms was the only consistently significant factor to explain the variation in prevalence data, with a secondary role played by salinity. Our results support the hypothesis that salmon farms are a major source of sea lice on juvenile wild salmon in salmon farming regions and underscore the importance of using management techniques that mitigate threats to wild stocks.“ |
Da aus Korrelationsstudien, d. h. aus Datenmaterial, welches das gemeinsame Auftreten von Zuchtlachsfarmen und starkem Seelausbefall junger Wildlachse nicht auf ursächliche Zusammenhänge geschlossen werden kann, diskutieren die Forscher ihre Ergebnisse noch vorsichtig: „Our study shows associations between salmon farms and infestations of sea lice on wild juvenile salmon across a large area of coastal British Columbia. Specifically, we show regional differences in parasitism of juvenile salmon between areas with and without salmon farms, as well as within-regional differences between sites of differing exposure levels. Within salmon farmed regions, juveniles at low exposure sites hosted fewer sea lice and were most similar in infection levels to regions without salmon farms. Overall, exposure to farms was the most important factor explaining louse prevalence. Finally, the proportion of L. salmonis infection increases in concert with farm salmon production.“ |
Nach wie vor darf die Lachsfarmindustrie die Zahlen des tatsächlichen Seelausbefalls der Zuchtlachse in den offenen Netzkäfigen geheim halten, obwohl die Öffentlichkeit und v. a. die Konsumenten ein Recht darauf haben, zu erfahren, was dort wirklich vor sich geht. Diese Geheimhaltung erschwert auch Forschungsarbeiten zu diesem Problem. Große experimentelle Studien, um ursächliche Zusammenhänge absolut sicher nachzuweisen, gibt es derzeit auch aus Kostengründen noch nicht. Den Forschern bleibt nur, sogenannte Korrelationsstudien durchzuführen. Da alternative Erklärungen für den hohen Seelausbefall der jungen Wildlachse um die Fischfarmen herum jedoch kaum heran gezogen werden können, verdichten sich die Hinweise auf einen ursächlichen Zusammenhang immer mehr: „… we found only moderate positive associations between salinity and louse prevalence, and only at sites of high exposure to salmon farms. Size (length) of juveniles also did little to predict louse prevalence. Instead, our analyses show that exposure to farms was the most important factor explaining louse prevalence. Moreover, louse abundance is coupled with the amount of salmon produced in a given farm region.“ |
Spätestens mit den jetzt vorliegenden Daten sollte das kanadische Fischereiministerium (Department of Fisheries and Oceans, DFO), die Provinzregierung von BC als auch die Lachsfarmindustrie selbst alarmiert sein: „… these data should alert managers to the potential for high mortality of juvenile salmonids and associated population level impacts on numerous wild salmon stocks migrating through the high-intensity farm salmon production region of Georgia Strait.“ Aus den Ergebnissen ihrer Studie ergeben sich für die Autoren folgende Schlussfolgerungen: „Sea lice from salmon farms threaten vulnerable wild salmon populations in British Columbia, heightening the urgency required for Canada to develop an effective conservation-based salmon aquaculture policy. Infection levels are correlated with the amount of salmon produced in a given farm region; the alternative explanations beyond farm-origin lice that we tested here have less support. These findings should concern resource managers, as current wild salmon populations on the coast of British Columbia are under multiple human stressors, and many populations are at low levels … Moreover, salmon farms have been specifically implicated in the decline or collapse of several local wild salmon populations … Given the increased production and site expansion proposed by the salmon farm industry, associated effects from farms may intensify and ultimately challenge the sustainability of ecosystems and economies along British Columbia’s entire coast … Threats from salmon farms to wild salmon can be mitigated by reducing the number of fish per farm, limiting the number of farms in a region, and moving farms from migration routes and juvenile salmon habitats, as has been implemented in some wild salmon sensitive areas of Norway … Ultimately, a switch to land-based aquaculture offers the best solution to the problem of transmission of diseases to wild fish.“ |
In anderen Ländern werden Zuchtlachse schon lange in geschlossenen Tanksystemen an Land gehalten, ohne dass es zu einem Parasiten- und Schadstoffeintrag ins offene Meer kommt, nur in Kanada und vor allem in BC wehren sich Regierungen und Lachsfarmindustrie gegen solche in der Regel teureren Systeme. Ein Pilotprojekt von Marine Harvest Canada auf Saltspring Island in den Jahren 2002 – 2004 ergab damals noch, dass die Kosten um 40 % höher waren, als mit den billigeren, aber umweltgefährdenden offenen Netzsystemen, doch heutzutage arbeiten längst Lachsfarmen mit geschlossenen Systemen äußerst wirtschaftlich. Immerhin will jetzt Marine Harvest Canada, der größte Zuchtlachsproduzent in BC, im Juni 2011 mit dem Bau einer Lachsfarm an Land beginnen. Agrimarine arbeitet schon lange erfolgreich mit solch einem System und auch die Namgis First Nations von Alert Bay wollen diese Technik rasch umsetzen, nachdem sie endlich Fördergelder von der Provinzregierung und der kanadischen Regierung erhalten haben. „Closed containment is being done all over the world. And so we’re trying to demonstrate to everybody that it is a viable business“, erklärte Chief Bill Cranmer von der Namgis First Nation. Selbst das DFO beginnt langsam einzusehen, dass geschlossene Systeme (closed containment systems) anstatt der bisherigen offenen Netzkäfige die wesentlich bessere Technik sind, nicht nur aus ökologischen, sondern zukünftig auch aus ökonomischen Gründen. Die Studie des DFO „The Feasibility Study of Closed-Containment Options for the British Columbia Aquaculture Industry“ vom September 2010 (D. Boulet, A. Struthers & E. Gilbert) weist genau hierauf hin, unabhängig davon, ob die geschlossenen Systeme im Meer oder an Land platziert sind. „This new study shows that closed containment salmon farming is economically viable, something we have said for years“, sagte David Lane von der T. Buck Suzuki Environmental Foundation. |
Es braucht viele Jahre, manchmal Jahrzehnte, bis die Betonköpfe im DFO wie auch in der Provinzregierung von BC davon überzeugt werden können, dass sie durch die einseitige Vertretung der Lobbyinteressen der Fischfarmkonzerne auf bestem Weg sind, die pazifischen Wildlachsvorkommen entlang der Küste von BC zu ruinieren. Die Hoffnung bleibt, dass es jetzt endlich zu einer Abkehr von den offenen Netzkäfigen der Zuchtlachsfarmen kommt und dass dies für die pazifischen Wildlachspopulationen nicht bereits zu spät sein wird. Einer Förderung des raschen Umstiegs auf geschlossene Systeme verschließt sich die kanadische Regierung leider weiterhin hartnäckig: auch im Haushalt 2011 sind hierfür keinerlei Gelder eingeplant. |
|
zurück |
|
|