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20. März 2011 |
Enbridge versucht sich die Zustimmung der First Nations zum Pipelinebau mit riesigen Summen und vagen Versprechungen zu erkaufen |
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Mit riesigen Geldsummen versucht die Enbridge Inc. den Widerstand der First Nations gegen den Pipelinebau von den Teersand-Abbaugebieten in Alberta zum Hafen Kitimat zu brechen und sie zur Zustimmung zu bewegen. „Enbridge sails pitch to aboriginals on pipeline route a hard sell“, schrieb Derrick Penner hierüber am 14. Februar in der Vancouver Sun. Die Verkaufssprüche und Lockvogelangebote gipfelten in den Versprechungen, dass die First Nations nahezu 1 Milliarde CAD durch das Enbridge Northern Gateway Pipelines-Projekt gewinnen könnten, von Jobs während der Bauzeit bis hin zu langfristigen Beteiligungen an den Einkünften aus dem Ölgeschäft. Die First Nations-Gemeinden sollen angeblich einen zehnprozentigen Besitzanteil an der Pipeline erhalten, welcher ihnen in den ersten 30 Jahren des Pipelinebetriebes 280 Millionen CAD in die Kassen spülen soll. Durch die Beteiligung an der Überwachung und Kontrolle des Öltankerverkehrs sollen angeblich bis zu 200 Millionen CAD verdient werden können. Während der Bauzeit sollen 15 % der anfallenden Arbeitsleistungen für die First Nations vorbehalten sein – so die Zielversprechungen von Enbridge, was weitere 400 Millionen CAD einbringen könnte. Vom Gewinn am Geschäft mit dem schmutzigen Öl aus den Teersanden soll 1 % (Gewinn vor Steuern) in einen sogenannten „community trust fund“ einbezahlt werden, über den die First Nations verfügen könnten. So sollen über 30 Jahre hinweg weitere 100 Millionen CAD zur Verfügung stehen. |
Bislang war die Wirkung dieser mit vagen Versprechungen in Aussicht gestellten Geldschwemme auf die First Nations gering. „We’re just looking at the whole package as a buyoff and a little bit of desperation to get first nations on side“, erklärte z. B. Terry Teegee, Vize-Chef des Career Sekani Tribal Council. „That’s the way I see it, and we’re not interested in it.“ Auch die Saik’uz First Nation, die am Nechako River lebt, lehnte das finanzielle Lockangebot von Enbridge ab, obwohl diese First Nations mit zu den ärmsten in BC gehören und sehr stark von Arbeitslosigkeit betroffen sind. „I value my fish and water more than I value money“, sagte Chief Jackie Thomas zur Enbrigde-Offerte. „The door is closed!“ Sie sorgt sich vor allem darum, dass Öl aus Pipelinelecks hunderte Wasserläufe nachhaltig verseuchen könnten. „We can count on our fish, our animals in the bush to feed us. If my grandchild has to buy water, and have water shipped in, it’s not good.“ „Our lands and waters are not for sale, not at any price“, sagte Chief Larry Nooski von der Nadleh Whut’en First Nation schon im Dezember 2010 anlässlich der Zurückweisung eines finanziellen Angebotes von Enbridge. „We want no part of Enbridge’s project and their offers are worthless to us when compared to the importance of keeping our lands, rivers and the coast free of crude oil spills. What Enbridge is offering is the destruction of our lands to build their project, and the risk of oil spills for decades to come which could hurt everyone’s kids and grandkids.“ 48 km weit würde die geplante Enbridge-Pipeline das traditionelle Stammesgebiet dieser First Nations durchqueren müssen, doch deren Antwort ist ein definitives „Nein“. Insgesamt hatten bereits im Dezember die Vertreter von 61 First Nations-Gruppen eine Erklärung gegen das Enbridge-Projekt verabschiedet und die finanziellen Lockangebote des Konzerns zurückgewiesen. |
Zwischenzeitlich gibt es aufgrund des massiven Widerstandes gegen den geplanten Pipelinebau nach Kitimat Überlegungen zu Alternativen. Die Canadian National Railway Co. (CN) und die Canadian Pacific Railway Ltd. prüfen bereits seit längerem die Idee einer „pipeline on rail“, d. h. die Möglichkeit, das Öl mit der Eisenbahn an die Küste zu transportieren. Die CN z. B. könnte zwar die bereits existierende Bahnlinie nach Prince Rupert nutzen, müsste dort aber für 200 bis 500 Millionen CAD ein Ölverladeterminal bauen. Darauf würde die CN sich nur einlassen, wenn sie die Garantien bekäme, dass Supertanker von Prince Rupert aus das antransportierte Öl auch abnehmen würden. Der chinesische Ölkonzern Sinopec könnte eventuell auch daran Interesse haben, falls der Pipelinebau scheitern sollte. Vorerst setzt Sinopec, der zweitgrößte Raffineriegigant der Welt hinter ExxonMobil, jedoch noch auf die Enbridge-Pipeline nach Kitimat. Schließlich dürfte Sinopec den größten Teil des 100 Millionen CAD Werbeetats von Enbridge bezahlt haben, um die Pipeline gegen alle Widerstände durchpeitschen zu können. |
Eine weitere Alternative zur Pipeline nach Kitimat bietet der Kinder Morgan-Konzern an: Eine Erhöhung der Kapazität der Trans Mountain Pipeline von Edmonton nach Vancouver. Dann allerdings müssten weit mehr Tanker als bisher den Hafen von Vancouver anlaufen. Egal, ob die Supertanker von Vancouver, Kitimat oder Prince Rupert ablegen würden, die Gefahr einer verheerenden Ölpest entlang der Küste bliebe und die Hauptkosten für die Eindämmung einer sich mit hoher Wahrscheinlichkeit ereignenden Ölpest hätten nicht die Öl- und Pipelinekonzerne zu tragen, sondern die kanadischen Steuerzahler. Eine Studie des University of Victoria Law Centre untersuchte die Haftungsfragen für die Beseitigung der Folgen einer Ölpest und kam zu erschreckenden Erkenntnissen: die Haftungsobergrenze liegt unter Berücksichtigung aller nationaler und internationaler Rechte bei nur 1,33 Milliarden CAD. Für die restlichen Kosten müssten die Steuerzahler aufkommen. Die Haftungsobergrenze für Schiffseigner liegt bei nur 140 Millionen CAD, ungeachtet der Höhe aller Säuberungskosten. Eine internationale Konvention von 1992 sieht Kompensationszahlungen von maximal 317 Millionen CAD vor, mit einem ergänzenden Fonds könnten es potentiell auch bis zu 750 Millionen CAD werden. Die kanadische Industrie zahlt in einen Fonds ein, der unterhalten wird, um Zahlungen leisten zu können für den Fall einer von Schiffen ausgehenden Ölpest. Dieser Fonds umfasst derzeit 380 Millionen CAD. Gezahlt werden jedoch für einen einzigen Schadensfall maximal 155 Millionen CAD und auch nur dann, wenn die anderen drei Quellen zur Schadensbegleichung nicht ausreichen sollten. Insgesamt wären aus allen vier Finanzquellen maximal 1,33 Milliarden CAD zu erwarten, um die Folgen einer Ölpest bekämpfen zu können. „That’s roughly one-third of the cleanup and compensation costs of the 1989 Alaskan Exxon Valdez spill, and the Exxon spill doesn’t even rank in the top 30 largest oil spills … By contrast the report states that compensations and cleanup fees for the Exxon spill reached at least $ 3,5 billion – and the compensation fund for the BP oil spill in the Gulf of Mexico is $ 20 billion against an estimated $ 100 billion in environmental and economic damage“, schrieb Scott Simpson am 14 Januar in der Vancouver Sun (UVic Study: Oil spill would hit taxpayers hard). Die Studie des University of Victoria Law Centre kommt zu dem Schluss, dass schon bei einer Ölpest von der Größe der Exxon Valdez damals im Golf von Alaska die kanadischen Steuerzahler 1,2 Milliarden US$ für Säuberungsaktionen bezahlen müssten, da die anderen Gelder aus den Fonds und der Versicherung der Schiffseigner nicht ausreichen würden. Die juristischen Streitigkeiten über Haftungsfragen und Zuständigkeiten würden Jahrzehnte dauern und bei all dem wäre der Pipelinebetreiber selbst, die Enbridge Inc., fein heraus: „Enbridge, the company that is the proponent for the pipeline, has zero responsibility in terms of an oil spill“, erklärte Jennifer Lash von der Living Oceans Society. „If there is a catastrophic spill, when you brought in any single source of funding it would still just be a fraction of the money that’s required for a cleanup and taxpayers could be left with up to 76 per cent of the cost.“ Art Sterritt, Executive Director der Coastal First Nations, pflichtete ihr in einem Telefoninterview bei: „Historically, people haven’t even been able to catch up to whoever is liable. We have even more information about what happened in Alaska, the liability issues in and around the people who were damaged there, how the oil companies spend even more money fighting those people in order not to pay.“ |
Enbridge’s Verantwortung würde tatsächlich am Ölterminal bei der Verladung des schmutzigen Öls auf Supertanker enden, für die Sicherheit des Öltankerverkehrs wären andere zuständig. Doch Enbridge ist nicht einmal in der Lage für einen sicheren Betrieb seiner Ölpipelines zu sorgen. Nach Daten des Polaris Instituts war der Enbridge-Konzern zwischen 1999 und 2009 für insgesamt 713 Ölaustritte aus seinen teilweise maroden Ölpipelines verantwortlich, bei denen 21,3 Millionen Liter Öl die Umwelt verseuchten. Eine Chronologie der von Enbridge verursachten Ölunfällle finden Sie auf dieser Website unter der Meldung vom 19.09.2010. Erst am 26. Juli 2010 verursachte der Bruch einer Enbridge-Pipeline in Marshall, Michigan eine Verseuchung des Kalamazoo River mit ca. 3,1 Millionen Liter Rohöl (819.000 gallons). „I would expect the federal government to bring criminal negligence charges against Enbridge under the Clean Water Act, which are the same charges they are likely to seek for the Gulf oil spill“, sagte David Uhlmann von der University of Michigan, der früher Leiter des US Department of Justice’s environmental crimes section war. „Negligence is not going to be hard to prove given the lack of maintenance and the extend of damage from the spill.“ Wie skrupellos und kriminell Enbridge gegen Sicherheitsvorschriften verstößt, wird in einem Artikel der Zeitung Washington Independent vom 7. März 2011 deutlich herausgestellt (Enbridge expexted to face criminal charges over Michigan spill): „The company has a record of safety violations. In August, federal officials announced more than $ 2.4 million in civil fines against Enbridge for other maintenance and safety problems in Minnesota, Louisiana and Oklahoma dating back to 2006. The U.S. Department of Transportation found that the company’s failure to safely and adequately perform maintenance and repair activities on the Lakehead pipeline system in Clearbrook, Minn., caused a leak and explosion that killed two workers in 2007.“ In diesem Artikel wird auf die Ölpest im Kalamazoo River eingegangen und auch die menschenverachtende Haltung von Enbridge beschrieben, wenn es darum geht, sich mit allen juristischen Mitteln vor Entschädigungszahlungen zu drücken: „The spill covered a 30-mile long stretch of the Kalamazoo River and its floodplain; killed vegetation, fish, birds and small mammals; forced some people to leave their homes and sickened hundreds of others. The impacted section of the river remains closed for all public uses due to ongoing contamination. Enbridge has settled many claims with local residents, but is fighting some oil spill claims in local court. In defending itself in cases seeking damages for property, business and health losses, Enbridge says it cannot be held liable for oil spill damage claims because it has followed all relevant laws, regulations and industry standards and the damage was not foreseeable. Enbridge also argues that the charges against it are improper „because federal, state and/or local authorities and agencies have mandated, directed, approved and/or ratified the alleged actions or omissions.“ „Denying responsibility in local court may not help Enbridge when it comes time to deal with criminal and or civil suits brought by the state and federal government, Uhlmann said.“ Über so viel Unverfrorenheit kann selbst David Uhlmann nur den Kopf schütteln. „I think the better approach for Enbridge would be to accept responsibility for the damage they have done, remedy the harm and pay restitution to any victims“, erklärte er. |
Enbridge betont immer wieder, das Northern Gateway Pipelines-Projekt sei im nationalen Interesse ganz Kanadas. Es sei extrem wichtig, sich jetzt neben dem US-Markt auch verstärkt den asiatischen Markt zu erschließen. „We think it’s hugely in Canada’s national best interest to have a second outlet for our crude oil“, sagte Enbridge-Chef Pat Daniel. Doch jetzt wird in Enbridge’s eigenem „environmental and socio-economic assessement“ bekannt, dass nur ca. 33 % der Tanker von Kitimat aus die nördliche Route nach Asien einschlagen würden, jedoch 30 bis 50 % der Tanker die südliche Route Richtung der US-Raffinerien nehmen würden. „It could be tough for Enbridge to argue that Gateway is nationally important – and therefore worth the environmental drawbacks – when it will largely feed a market already well served by other pipelines“, zitierte Nathan Vanderklippe den Sachverständigen Gerald Graham, der die Interessen der Umweltschutzorganisationen und der First Nations vertritt (Most Gateway pipeline shipments slated for U.S. Globe and Mail, 28.02.2011). In seinen letzten Amtstagen unternahm der Ex-Premierminister von BC, Gordon Campbell, ein glühender Verfechter des Pipelinebaus, nochmals alles, um dem Enbridge-Konzern dienlich zu sein. In einem Brief an den kanadischen Premier Stephen Harper, den auch die Premiers Ed Stelmach von Alberta und Brad Wall von Saskatchewan mit unterzeichnet hatten, versuchte er, eine Gesetzesinitiative für das Verbot des Öltankerverkehrs entlang der Küste von BC noch zu Fall zu bringen. „We are concerned that initiatives such as this bill are aimed squarely at limiting Western Canada’s opportunities to grow our economies. We would therefore urge you to act in the national interest and defeat this bill“, heißt es in dem Brief. Nicht nur Umweltschutzorganisationen, Fischereiwirtschaft und Tourismusindustrie waren entsetzt über diesen Brief, mit dem sich Campbell nochmals über den Willen einer breiten Bevölkerungsmehrheit hinwegsetzte. In Meinungsumfragen hatten sich etwa 80 % der Befragten in BC für ein Verbot des Öltankerverkehrs entlang der Küste ausgesprochen. Das Büro von Campbell ließ zuletzt folgendes erklären: „It is important to remember that our province and our country have adopted some of the most stringent regulatory policies available to protect our waters from environmental accidents.“ Es sind die gleichen „most stringent regulatory policies“, die auch zur Ölpest im Golf von Alaska und im Golf von Mexiko geführt haben und auch zur atomaren Katastrophe in Fukushima. Überall auf der Welt hört man von Politikern und Energiekonzernen die gebetsmühlenartig wiederholten Beteuerungen, alles sei sicher und beherrschbar und ein Restrisiko rein theoretischer Natur – bis die Katastrophen da sind. |
Am 14. März wurde die neue Premierministerin von BC, Christy Clark, vereidigt. Die Schaffung von Arbeitsplätzen, die Stärkung der Wirtschaft und der Familien stünden im Fokus ihrer Politik. Das Wort „Umweltschutz“ tauchte in ihrer ersten Presseerklärung nicht auf. |
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