bears and more • Klaus Pommerenke
 
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29. Dezember 2012
Enbridge verharmlost die Gefahren des geplanten Öltankerverkehrs
entlang der Küste von BC. Jüngste Vorfälle zeigen ein anderes Bild
 
Bei der Anhörung des Joint Review Panel (JRP) in Prince Rupert ging es u. a. um die Risiken des geplanten Öltankerverkehrs entlang der Küste von BC, falls die Northern Gateway Pipeline nach Kitimat gebaut werden sollte. Die Annahmen des Enbridge Konzern zu möglichen Risiken und Gefahren wurden als extrem verharmlosend kritisiert. In der von Enbridge vorgelegten Risikoeinschätzung werden z. B. lediglich Wellenhöhen von maximal 10,2 Metern genannt, obwohl Enbridge in früheren Untersuchungen selbst Wellenhöhen von 14,5 Metern und Windgeschwindigkeiten von 185 km/h bestätigt hatte. Diese Untersuchungsergebnisse wurden dem JRP vorenthalten, um die Risiken möglichst klein erscheinen zu lassen. Brian Falconer, Kapitän des Forschungsschiffes Achiever der Raincoast Conservation Foundation, der seit 35 Jahren entlang der Küste von BC kreuzt, bezeichnete die Risikoeinschätzung von Enbridge als äußerst irreführend: „It doesn’t match anybody’s experience on the coast. Their portrayal of the weather conditions, their portrayal of duration of the fog, they don’t match“, erklärte er. „It’s a manipulation of statistics … the miracle of averaging“, meinte er zu der Enbrige-Annahme. „They’re not lying. They’ve just chosen a way of expressing it that is meaningless in assessing risk.“ Brian Falconer selbst berichtete, dass bei Orkan die Wellen in Dixon Entrance und der Hecate Strait in den letzten Jahren eine Höhe von bis zu 26 Metern erreicht haben. Auch die Angaben über Sturmbedingungen, die Dauer von Nebelperioden und den Schiffsverkehr allgemein – einschließlich vieler kleiner Fischerboote – entsprächen nicht den Tatsachen, sondern seien geschönt.
 
Buckelwalfluke © Klaus Pommerenke
 
Die Realität entlang der Küste sieht anders aus als es Enbridge in seinen verharmlosenden Risikoeinschätzungen und Werbevideos für das Northern Gateway-Projekt vorgaukelt. Am 20. November 2012 lief das 278 Meter lange in Deutschland registrierte Containerschiff Hanjin Geneva 6 Seemeilen vor Prince Rupert auf Grund. Das von Shanghai kommende Schiff musste angeblich einem kleinen Fischerboot ausweichen und landete auf einer Sandbank, glücklicherweise nicht auf einem Riff oder auf Felsen. An Bord war ein speziell ausgebildeter Lotse (B.C. coastal pilot), dessen Aufgabe es ist, große Schiffe sicher in Häfen zu bringen und durch die Küstengewässer navigieren zu helfen. Das Schiff blieb weitgehend unbeschädigt und konnte am nächsten Tag von fünf Schleppern von der Sandbank gezogen und in den Hafen von Prince Rupert gebracht werden. „This could have been one of the worst spills … The thing that immediately came in mind … is that it’s one more incident on this coast where human error put a large ship on the rocks“, erklärte Ian McAllister von Pacific Wild nach dem Vorfall. Dieses Mal war es „nur“ ein Containerschiff, welches bei gutem Wetter und geringem Tidenhub auf Grund lief, doch was wäre gewesen, wenn ein Öltanker im Sturm und bei gewaltiger Strömung gegen ein Riff läuft? „But this incident should be an alarming reminder that ships in these narrow confined areas at night, in the type of weather and currents that we have on this coast, are far from safe“, warnte Ian McAllister. „In a place like Prince Rupert harbor you have a 21-foot tidal range. If it was on rocks or on a ledge, that could have been enough tidal range to turn a ship of that size right over. From our understanding they were fortunate at the tides weren’t as extreme as they were a week or so ago. But it is certainly a very real reminder of what can happen.“ Schon im Januar 2007 lief im Hafen von Prince Rupert ein Transportschiff auf Grund, im Dezember 2009 hatte ein Frachter Grundberührung.
Schon zwei Tage, nachdem die Hanjin Geneva auf Grund gelaufen war, gab es eine neue Gefahrensituation: Am 22. November fielen auf der 188 Meter langen Tern Arrow, einem auf den Bahamas registrierten Frachter, nahe des Laredo Sound die Maschinen aus. Bei einer Windstärke von 40 Knoten (ca. 74 km/h) und hohem Wellengang trieb das Schiff nachts fast drei Stunden lang ohne jede Kontrolle auf dem Meer, ehe es gelang, die Maschinen wieder zu starten.
 
Seesterne (Ochre Sea Stars, Pisaster ochraceus) © Klaus Pommerenke
 
Eine Studie von Wissenschaftlern der University of British Columbia vom Dezember 2012 kalkuliert die Kosten einer von Tankern verursachten Ölpest für die Fischereiindustrie und anderer mitbetroffener Industriezweige in British Columbia (Potential economic impact of a tanker spill on ocean-based industries in British Columbia. Fisheries Centre, Research Reports 2012, Volume 20, Number 7, Ngaio Hotte & U. Rashid Sumaila). Eine Ölpest mittlerer Größe mit etwa 10 Millionen Litern (medium impact, 63.000 barrel) hätte einen Schaden von 41 – 189 Millionen CAD zur Folge. Bei einer großen Ölpest mit etwa 41 Millionen Liter (high impact, 257.000 barrel), ähnlich wie der durch die Exxon Valdez im Golf von Alaska verursachte, beliefe sich der Schaden für Fischerei und Tourismus auf 87 – 308 Millionen CAD. Die Kosten für Bergungs- und Säuberungsaktionen, um die Ölpest wenigstens ansatzweise einzudämmen, kalkulierten die Forscher für den Fall einer Ölpest mittlerer Größe auf 2,4 Milliarden CAD, für den Fall einer großen Ölpest auf 9,6 Milliarden CAD. Zum Vergleich: BP muss für die angerichtete Ölpest im Golf von Mexiko 4,5 Milliarden US$ (3,5 Milliarden €) an die USA zahlen, 1Milliarden US$ mußte BP bislang an Reinigungs- und Reparaturkosten bezahlen, 9 Milliarden US$ erhielten private Kläger, auf die Zahlung weiterer 7,8 Milliarden US$ hat sich BP mit Vertretern tausender Kläger geeinigt. 2010 waren von der Ölbohrinsel Deepwater Horizon 4,9 Millionen Barrel Öl – 780 Millionen Liter Öl – in den Golf von Mexiko geflossen, fast 90 Tage lang. BP selbst rechnet mit Gesamtkosten von 38 Milliarden US$.
 
Fressender Buckwal © Klaus Pommerenke
 
Bei einer Ölpest vor der Küste von BC käme es zu einem massiven Verlust von Arbeitsplätzen, nicht nur in der Fischerei. „When indirect and induced values are considered, ocean-based industries provide employment for an equivalent of nearly 30 % of the regional population“, heißt es in der Studie. Die Gesamtsumme an Verlusten (direkte Schadenshöhe, Arbeitsplatzverluste, Verluste am Bruttoinlandsprodukt über 50 Jahre) wurde noch zurückhaltend berechnet: „Estimated losses are limited to market values of four ocean-based industries and do not include the cost of spill response, clean-up and litigation activities. … as well as the economic value of social, cultural and environmental damages. If these costs are accounted for, all of the projected economic gains from the Enbridge Northern Gateway project could quickly turn into losses in the event of a tanker spill.“
Das JRP muss gemäß dem Canadian Environmental Assessment Act und dem National Energy Board Act prüfen, ob das Northern Gateway-Projekt sich signifikant nachteilig auf die Umwelt auswirkt und ob es im „öffentlichen Interesse“ ist. Bis spätestens 31.12.2013 muss die Entscheidung hierüber dem kanadischen Parlament präsentiert werden. Im Januar 2013 wird das JRP zunächst nochmals für ca. 10 Wochen in Prince Rupert seine Anhörungen fortsetzen. Unterdessen ist die Opposition gegen das Projekt noch weiter gewachsen. In einer Meinungsumfrage vom 10. Dezember lehnten 60 % der in einer Zufallsstichprobe befragten Einwohner von BC das Projekt ab. Nur noch 31 % waren dafür, 9 % antworteten „weiß nicht“. Seit Januar 2012 ist die Anzahl der Projektgegner um 14 % gestiegen, trotz der Werbekampagnen des Enbridge-Konzerns für das Projekt. „We don’t have the resources to fight the multi-million dollar advertising campaigns“, sagte Cam Hill, Gemeinderat der Gitga’at First Nation von Hartley Bay. „What we do have is the truth, and the truth is that a single oil spill in BC’s coastal waters could wipe out the traditional foods that feed our people. We live in one of the most beautiful and pristine places on earth, sharing our home with Spirit Bears, humpback whales and wild salmon. Why would we put that at risk? We don’t want dead water.“
Selbst Joe Oliver, Kanadas Minister of Natural Resources, ein fanatischer Verfechter des Northern Gateway-Projektes, gerät angesichts des erbitterten Widerstandes gegen das Projekt langsam ins Zweifeln: „If we don’t get people on side, we don’t get the social license – politics often follows opinion – and so we could well get a positive regulatory conclusion from the joint panel that is looking at the Northern Gateway, but if the population is not on side, there’s a big problem.“ Im Verborgenen scheint man schon Pläne zu entwickeln für den Fall dass sich die Northern Gateway-Pipeline nach Kitimat nicht durchpeitschen lässt: Enbridge lässt bereits prüfen, ob durch die Umkehr der Fließrichtung der Linie 9 täglich 300.000 Barrel Öl von den Teersanden Albertas nach Montreal gepumpt werden können. TransCanada prüft, ob durch die Umnutzung einer bereits bestehenden Gaspipeline bis zu 1 Million Barrel Öl in den Osten Kanadas gepumpt werden können. Beide Projekte wären billiger als der Bau der Ölpipeline nach Kitimat und ließen sich viel rascher realisieren.
 
Orca, erwachsenes Männchen aus dem Familienverband T55s (Transient Orcas) © Klaus Pommerenke
 
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