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14. Novermber 2015 |
Kanada am Scheideweg: Weitere Expansion der Ölförderung aus Teersanden und neue Pipelines oder mehr Chancen für den Klimaschutz? |
Nachdem Shell, Conoco, Exxon, Chevron und Statoil die Ölsuche in der Arktis auf absehbare Zeit aufgegeben haben („zu teuer, zu wenig erfolgversprechend, zu unsichere politische Rahmenbedingungen“), zieht sich Shell aus zwei Teersande-Abbauprojekten in Alberta zurück. Das Carmon Creek-Projekt sollte täglich 80.000 Barrel Öl liefern, jetzt gibt Shell auf und schreibt 1,4 Milliarden Euro ab. Die Pläne für die Pierre River Oilsands Mine, welche 200.000 Barrel Öl täglich liefern sollte, wurden bereits im Februar 2015 gestoppt. Der auf 41,89 US$ pro Barrel abgestürzte Ölpreis (Stand 14.11.2015) macht die Förderung unkonventionellen Öls aus den Teersanden unrentabel. Damit Teersande-Projekte rentabel sind, müsste der Ölpreis wieder stabil bei ca. 100 US$ pro Barrel liegen. Ein weiteres Problem für die in den Teersandegebieten aktiven Ölkonzerne ist der Stopp der Pläne für die Keystone XL-Pipeline durch Präsident Obama. Jetzt fehlen Pipeline-Kapazitäten, um das Öl aus den Teersanden Albertas zu den Abnehmern transportieren zu können. Das Teersande-Öl könnte jedoch in Tankwaggons auf dem Schienenweg durch Kanada in die US-Bundesstaaten Oregon und Washington gelangen, wo bereits eine Vervierfachung der Kapazitäten der „Crude-by-Rail-Terminals“ prognostiziert wird. Die Canadian Association of Petroleum Producers verkündete am 6.11.2015 in einer Presseerklärung: „Canadian oil will find new paths to markets“. Ob eine Ausweitung des Öltransports auf Schienen in Kanada durchsetzbar ist, erscheint allerdings im Lichte der Ölkatastrophe mit 47 Toten, die sich im Juli 2013 in Lac-Mégantic in Quebec ereignet hat, mehr als fraglich. Die Idee einer „Pipeline auf Schienen“ ist der verzweifelte Versuch der Ölkonzerne, auch zukünftig vom fossilen Irrsinn profitieren zu können. Die Angst treibt sie um, unter Justin Trudeau auch die staatlichen Unterstützungen und Subventionen zu verlieren, die sie unter der alten Regierung von Stephen Harper jedes Jahr erhalten hatten. „In 2013-2014, federal support for fossil fuels under the previous Stephen Harper government amounted to at least $1.7 billion. A further $1.3 billion in provincial subsidies was kicked into the industry, according to a Nov. 12 report titled ‘Empty Promises: G20 Subsidies to Oil, Gas and Coal Production’ co-published by the Overseas Development Institute and Oil Change International”, schrieb Fram Dinshaw am 12. November 2015 im National Observer.
Die Anhörungen zur geplanten Erweiterung der Trans Mountain-Pipeline von Kinder Morgan nach Burnaby bei Vancouver stecken fest, gegen das Enbridge Northern Gateway-Projekt laufen viele Klagen und bis zum eventuellen Bau der TransCanada East-Pipeline an die kanadische Ostküste werden viele Jahre vergehen. Hält der neugewählte kanadische Premierminister Justin Trudeau zudem sein Wahlversprechen ein, ein Moratorium des Öltankerverkehrs entlang der Nordküste von BC zu erlassen, so würde dies das endgültige Aus für das Enbridge Northern Gateway-Projekt bedeuten. Die rasche Expansion der Teersande-Abbauflächen und die extrem klimaschädliche Ölförderung in diesen Gebieten könnte gestoppt werden, die Gefahr einer katastrophalen Ölpest aus einem Leck der Northern Gateway-Pipeline nach Kitimat und die Gefahren einer Öltankerhavarie entlang der Küste von BC wären gebannt. Doch noch ist Vorsicht geboten, schon zu viele Wahlversprechen wurden in der Politik gebrochen oder konnten aufgrund von „Sachzwängen“ nicht umgesetzt werden. Trudeau zeigte sich enttäuscht über die Entscheidung Obamas, die Keystone XL-Pipeline nicht zu bauen und zugleich wächst der Druck auf ihn, dafür andere Pipelineprojekte wie die Erweiterung der Trans Mountain-Pipeline abzusegnen. Schlüsselrollen könnten den Premierministerinnen von Alberta und BC, Rachel Notley und Christy Clark zukommen, da unabhängig von den Entscheidungen der kanadischen Regierung viele provincial permits für alle Pipelinebauten notwendig sind.
Ein erster Glaubwürdigkeitstest für Trudeau wird die kanadische Position auf dem Weltklimagipfel in Paris vom 30.11. bis 11.12.2015 sein. Schließlich hatte Kanada 2011 unter Harper, einem willfährigen Erfüllungsgehilfen der Wünsche der Ölindustrie, das Kyoto-Protokoll aufgekündigt. Die Expansion der Teersande-Abbaugebiete sollte ungebremst weitergehen können, ohne das Risiko, wegen der katastrophalen CO2-Bilanz Kanadas Strafzahlungen leisten zu müssen. Immerhin schuf Trudeau ein Ministry of Environment and Climate Change und ernannte Catherine McKenna zur Ministerin für Umwelt und Klimawandel. Bislang wollte Kanada seine Treibhausgas-Emissionen bis 2030 nur um 30% gegenüber dem Stand von 2005 reduzieren, ein äußerst bescheidenes Ziel. Dieses Ziel oder gar ein ambitionierteres Ziel ist nur zu erreichen, wenn ein großer Teil des Öls in den Teersande-Gebieten Albertas im Boden bleibt, die Förderung zurückgefahren wird und keine neuen Pipelines gebaut werden. Die Entscheidungen der kanadischen Regierung werden großen Einfluss haben nicht nur auf das Ökosystem im Great Bear Rainforest und seiner Gewässer, sondern weit darüber hinaus. Ein weltweiter Anstieg der Temperatur um nur 2° C und ein Abschmelzen der Gletscher und Eiskappen der Pole würde durch den langsamen Anstieg des Meeresspiegels 737.000 Kanadier zum Umzug in höhere Gefilde zwingen. Alleine in Vancouver wären 340.000 Menschen betroffen, weltweit wären es etwa 760 Millionen.
Die Rolle des Blockierers von Klimaschutzzielen will Kanada unter Trudeau offensichtlich aufgeben. Foreign Affairs Minister (Außenminister) Stéphane Dion schlug in einem Interview am 11.11.2015 vor: „… all major economic decisions will face a climate-change test”. Zum Regierungsmandat der neuen kanadischen Regierung erklärte er: “Within this mandate, we have the ability for Canada to be part of the solution for climate change and not only part of the problem”. Man darf gespannt sein, ob Kanada auf dem Weltklimagipfel in Paris Maßnahmen ankündigen wird, den fossilen Irrweg der alten Harper-Regierung zu verlassen und von einem Blockierer von Klimaschutzzielen zu einem Vorreiter in Sachen Klimaschutz werden wird.
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