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29. November 2016 |
Trudeau sagt Nein zum Enbridge Northern Gateway Projekt. Zustimmung für die Kapazitätserweiterung der Trans Mountain Pipeline und der Erweiterung der Line 3-Ölpipeline. Ankündigung eines Verbots von Rohöltankerfahrten entlang der Nordküste von BC |
Am 29.11.2016 hat der kanadische Premierminister Justin Trudeau endgültig sein Nein zum Bau des Enbridge Northern Gateway Pipeline-Projektes erklärt. Gleichzeitig genehmigte er den Ausbau der bestehenden Kinder Morgan Trans Mountain-Ölpipeline auf das nahezu Dreifache ihrer bisherigen Kapazität sowie den Ausbau der Enbridge Line 3-Ölpipeline von Alberta nach Wisconsin. Für die kommenden Monate kündigte er ein Gesetz an, welches Rohöltankerfahrten entlang der Nordküste von BC verbieten soll.
Nach jahrelangem erbittertem Kampf, demokratisch fragwürdigen Anhörungen der vom Pipelinebau und dem drohenden Öltankerverkehr Betroffenen und vielen Gerichtsklagen ist es jetzt doch noch zu einem guten Ende gekommen: Trudeau verweigert dem Bau des Enbridge Northern Gateway-Projektes seine Zustimmung. Somit wird die 1.177 km lange Pipeline von Bruderheim/Alberta durch den Great Bear Rainforest nach Kitimat in BC nicht gebaut werden. Durch die Pipeline wären täglich 525.000 Barrel (83,5 Millionen Liter) des ebenso schmutzigen wie umweltschädlichen Teersande-Öls nach Kitimat gepumpt worden und in einer zweiten, parallel verlaufenden Pipeline 193.000 Barrel (30,7 Millionen Liter) Kondensat nach Alberta, um das zähe Teersande-Öl zu verflüssigen und es überhaupt erst durch die Pipeline transportieren zu können. In Kitimat wäre ein Ölhafen entstanden mit zwei Anlegern für Supertanker und 19 riesigen Tanks für das Teersande-Öl und Kondensat. 220 bis 230 Tanker hätten jedes Jahr durch den engen Douglas Channel navigieren müssen, die Gefahr einer Ölpest bei einem zu erwartenden Tankerunfall wäre extrem hoch gewesen. Das gesamte komplexe Ökosystem im Great Bear Rainforest und in seinen Gewässern wäre früher oder später mit hoher Wahrscheinlichkeit zerstört worden. Nirgendwo sonst auf der Welt herrscht ein so enger Zusammenhang zwischen maritimen und terrestrischen Ökosystemen. Ihre Biodiversität baut aufeinander auf. Würde nur ein Teil zerstört, hätte es unweigerlich Auswirkungen auf das komplexe Ganze.
Das angekündigte Gesetz zum Verbot des Rohöltankerverkehrs entlang der Nordküste von BC muss erst noch ausgearbeitet und verabschiedet werden. Die Verbotszone soll u.a. Dixon Entrance, Hecate Strait und Queen Charlotte Sound umfassen und im Süden bis zur Nordspitze von Vancouver Island reichen. Eine etwa 50 km breite Zone entlang der Westküste von Haida Gwaii soll ebenfalls eingeschlossen sein. Noch ist offen, ob es ein permanentes oder nur ein zeitlich befristetes Verbot geben wird. Letzteres würde keinerlei Sinn machen und nur dem Lobby-Druck der Schifffahrtsindustrie nachgeben. In den World Maritime News finden sich bereits erste Details zum Vorhaben von Trudeau:
„The government of Canada will introduce legislation by spring 2017 to formalize a moratorium for crude oil tankers on British Columbia’s (BC) north coast.
The moratorium will cover the Great Bear Rainforest/Great Bear Sea area, covering an area from the Alaska/BC border down to the point on BC’s mainland adjacent to the northern tip of Vancouver Island, and this includes Haida Gwaii. The new legislation will prohibit oil tankers carrying crude oil or persistent oil products as cargo from entering or leaving ports and marine installations in this area. This measure will complement the existing voluntary Tanker Exclusion Zone, which has been in place since 1985. The moratorium will apply to the shipment of crude oils as defined by the International Convention for the Prevention of Pollution from Ships (MARPOL) and this will be set in the legislation. It will also apply to related oil products that are heavier and, when spilled, break up and dissipate slowly. A complete list of these persistent products included in the moratorium will be outlined in a schedule to the legislation. The list of scheduled products could be amended in the future through the regulatory process based on the evolution of science and technology. Oil products included in the moratorium will be, among other, partially upgraded bitumen, synthetic crude oil, pitch, slack wax, and bunker C fuel oil. The moratorium will not apply to the transportation of liquefied natural gas (LNG), gasoline, naphtha, jet fuel, and propane, among other products. Vessels carrying less than 12,500 tonnes of crude oil or persistent oil products as cargo will be exempted from the moratorium to allow local communities and industries to continue to receive these goods. The legislation would include an enforcement regime and penalty provisions. Penalties will be commensurate with the scale of violation and could reach up to CAD 5 million.”
Trotz aller Proteste und des massiven Widerstandes der betroffenen First Nations, des Bürgermeisters von Vancouver, von mehr als einem Dutzend Städte und Gemeinden, von vielen Umweltschutzgruppen und sogar von eigenen Parteifreunden aus BC hat Trudeau die Erweiterung der Trans Mountain-Ölpipeline genehmigt, ein 6,8 Milliarden CAD-Projekt, welches ganz im Interesse der Teersande-Industrie in Alberta steht und dem Wunsch der Premierministerin von Alberta, Rachel Notley, entspricht. Durch die einseitige Orientierung der gesamten Wirtschaft in Alberta auf Einnahmen aus den Ölgeschäften und durch den Ölpreisverfall geriet Alberta in eine tiefe Rezession. Die Arbeitslosenquote lag im Dezember 2016 bei 10,3%, so hoch wie zuletzt 1993. Die Kapazität der 60 Jahre alten Kinder Morgan Trans Mountain-Pipeline von Strathcona County bei Edmonton nach Burnaby bei Vancouver soll jetzt von 300.000 Barrel (47,73 Millionen Liter) pro Tag auf 890.000 Barrel (141,6 Millionen Liter) gesteigert werden. Über 800 Öltankerfahrten wird es hierdurch jedes Jahr von und nach Vancouver geben. Zurzeit laufen etwa 5 Tanker pro Monat Burnaby an, bei einer Pipelineerweiterung werden es ca. 34 Tanker pro Monat sein. Das National Energy Board hatte 157 Bedingungen formuliert, die bei diesem Projekt eingehalten werden müssen. „We took this decision because we believe it is in the best interest of Canada and Canadians. And as long as Kinder Morgan respects the stringent conditions put forward by the National Energy Board, this project will get built – because it’s in the national interest of Canadians, because we need to get our resources to market in safe, responsible ways, and that is exactly what we’re going to do,” sagte Trudeau zu seiner Entscheidung. “Others will be opposed to this project for their own reasons. We respect that … but to them and to all Canadians, I want to say this: if I thought this project was unsafe for the B.C. coast, I would reject it.” Grand Chief Stewart Phillip von der Union of British Columbia Chiefs entgegnete: “The risk is just too grave. The tanker traffic in Burrard Inlet will increase by 700 per cent and it’s inevitable that there will be a collision in a very congested inlet.”
Trudeaus Entscheidung bedeutet lange noch nicht, dass die Pipelineerweiterung tatsächlich kommen wird. Es gibt bereits 11 juristische Klagen, die Zustimmung der First Nations fehlt weitestgehend. „The struggle will simply intensify“, sagte Phillip. „It will become more litigious, it will become more political and the battle will continue.” Viele prognostizieren, dass der Widerstand gegen die Erweiterung der Trans Mountain-Pipeline noch viel größer sein wird, als gegen das Northern Gateway Projekt. Die von der Provinzregierung von BC formulierten fünf Bedingungen für die Genehmigung neuer Pipelineprojekte gilt es auch hier einzuhalten (completion of the federal environmental review process, world-leading marine oil spill response, world-leading practices for land oil spill prevention, response and recovery systems, legal requirements regarding Aboriginal and treaty rights, BC receives a fair share of the fiscal and economic benefits of a project). Die Premierministerin von BC, Christy Clark, zeigt sich sehr optimistisch, dass dies gelingen wird. Drei von fünf Bedingungen seien schon erfüllt. Jetzt, da Einnahmen winken, knickt die Provinzregierung ein, nachdem sie im Januar 2016 noch die Pipelineerweiterung abgelehnt hatte, weil Nachweise, wie eine Ölpest verhindert oder bekämpft werden kann, fehlten und noch immer fehlen. Das Feilschen zwischen Clark, Notley und dem Kinder Morgan-Konzern über die Höhe der Einnahmen für BC aus diesem Pipelinegeschäft wird brisant werden. Immerhin hat Clark erklärt, dass diese Einnahmen einem „environmental fund“ zu Gute kommen sollen. „If, in an agreement with Kinder Morgan, there is a direct economic benefit … for B.C., we will devote all of that to areas of environmental protection. … All of the money, I think, needs to go back into making sure that we mitigate the risk that British Columbians are taking with our land base and on the marine side by allowing heavy oil to be shipped through our Province”, sagte Clark.
Die Pariser Klimaschutzziele Kanadas, die Treibhausgas-Emissionen bis 2030 um 30% unter das Niveau von 2005 zu drücken, dürften mit neuen Pipelines und der viel zu hoch angesetzten 100 Megatonnen-Emissionsobergrenze für die Teersande-Ölgewinnung in Alberta nicht einzuhalten sein (vergleiche Meldung vom 27.11.2015 auf dieser Website). Alleine die Erweiterung der Trans Mountain-Pipeline dürfte nach Environment Canada die jährlichen Treibhausgas-Emissionen um 13 – 15 Millionen Tonnen steigen lassen.
Die zu erwartenden 800 Öltankerfahrten jährlich von und nach Vancouver werden mit hoher Wahrscheinlichkeit die Population der ohnehin schon stark bedrohten Southern Resident Killer Whales vollends an den Rand der Ausrottung bringen. Die Tankerroute durchschneidet den für das Überleben der Orcas als kritisch erachteten Lebensraum, der Unterwasserlärm würde gewaltig anwachsen und Orientierung sowie Nahrungsaufnahme der verbleibenden ca. 80 Tiere weiter erschweren.
Das Linie 3-Pipelineprojekt von Enbridge soll 7,5 Milliarden CAD kosten. Durch die erweiterte und großteils neu gebaute Ölpipeline sollen im Idealfall ab 2019 760.000 Barrel Öl (120,9 Millionen Liter) von Hardisty in Alberta durch das südliche Saskatchewan und Manitoba in die USA nach Wisconsin gepumpt werden, um Chicago, die US-Golfküste, den Osten der USA und auch kanadische Raffinerien zu erreichen. Die Pipeline ist 1.659 km lang und endet in Superior bei Duluth am Lake Superior. Das ist das größte Pipelineprojekt in der Geschichte des Enbridge Konzerns und Hauptbestandteil des Enbridge Mainland Systems. Auch gegen dieses Pipelineprojekt regt sich bereits erbitterter Widerstand.
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