bears and more • Klaus Pommerenke
 
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8. September 2014
Der Teersande-Abbau in Alberta und das
CETA-Abkommen zwischen Kanada und der EU
 
Das ARD-Magazin Plusminus berichtete am 3.9. im Vorfeld des Abschlusses des Freihandelsabkommens zwischen der EU und Kanada, dem CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement), über den Teersande-Abbau in Alberta. Das CETA-Abkommen gilt als „Blaupause“ für das TTIP-Abkommen mit den USA (Transatlantic Trade and Investment Partnership). Der Filmbeitrag zeigt nicht nur die katastrophalen Auswirkungen des Teersande-Abbaus auf die Umwelt, er weist auch auf die Probleme hin, die zu erwarten sind, wenn CETA und TTIP tatsächlich abgeschlossen werden (was leider zu erwarten ist).
Das sechsminütige Video mit dem Titel „Schädliches Öl“ finden Sie in der ARD-Mediathek unter folgendem Link: http://bit.ly/1o0jtKl
Der Textbeitrag zum Video von Plusminus von Markus Schmidt ist nachfolgend wiedergegeben:
„Schädliches Öl
Verwüstete Landschaften, vergiftete Umwelt, vertriebene Menschen. Kanadas Ölproduktion ist weltweit hoch umstritten. Obwohl die EU solch umweltschädlich gewonnene Energie eigentlich ablehnt, ist es bereits nach Spanien eingeführt worden. Und auch Deutschland ist interessiert.
Hoch oben im Norden von Alberta lagern Ölreserven größer als die von Saudi Arabien. Im größten Rohstoffabbaugebiet der Welt löst man im Tagebau das Öl aus der Erde – mit viel Wasser und Chemie. Geplant und genehmigt ist eine Verdreifachung der Produktion auf eine Fläche so groß wie Frankreich. Zurück bleiben riesige Gebiete angefüllt mit dem, was übrig bleibt: Sandwüsten und riesige Seen mit giftigen krebserregenden Ölschlick. Sie bedecken jetzt eine Fläche so groß wie Köln Kanada weigert sich bis heute, dem Kyoto Klimaschutzabkommen beizutreten. Die Produktion geht mit einer dramatischen Belastung für das Weltklimas einher.
‚Wissenschaftliche Studien zeigen, dass dieser Prozess sehr klimaschädlich ist. Es entstehen drei bis viermal so viele schädliche CO2 Gase wie bei herkömmlichen Öl‘, so Laura Buffet vom Umweltverband Transport & Environment. Die EU hatte auf diese Studien reagiert. In der sogenannten Kraftstoffqualitäts-Richtlinie will sie schon seit fünf Jahren festlegen, dass dieses Öl aus Kanada als besonders klimaschädlich zu kennzeichnen ist. Diese Richtlinie ist aber bis heute nicht umgesetzt. Die kanadische Regierung kämpft dagegen. ‚Das was die EU da plant ist wissenschaftlich nicht fundiert und eine Diskriminierung unseres Öls. Unser Öl wird schädlicher gemacht als es tatsächlich ist‘, sagt der kanadische Finanzminister Joe Oliver.
Starke Öllobby
Mit den großen Ölkonzerne Exxon USA, BP England, Shell Niederlande und Total Frankreich hat die kanadische Regierung große Verbündete an ihrer Seite. Sie haben sehr viel Geld in die Ausbeutung der Ölsande gesteckt, dort lagern ihre größten Reserven für die Zukunft. Schon 100 Milliarden Dollar wurden insgesamt hier von der Ölindustrie investiert, In den kommenden 25 Jahren sollen noch einmal 364 hinzukommen. vom nordamerikanischen Öl -Verband AFPM organisiert, versuchen die Ölmultis, die europäische Klimaschutzpolitik auszuhebeln. Ihre Lobbyisten wie David Friedman haben das Thema ganz oben auf die Agenda der zurzeit laufenden Freihandelsgespräche gebracht. ‚Das Problem mit der Kraftstoffqualitätsrichtlinie ist, dass sie ein Handelshindernis aufbaut, eine Barriere. Unsere Exporteure müssten die Ölsande aus Kanada genau dokumentieren. Solche Vorschriften haben wir in den USA bisher nicht, das würde unsere Exporte nach Europa erheblich erschweren‘, so Friedmann.
Mit diesen Argumenten kämpft die Öllobby in einer großangelegten Kampagne in Brüssel. Forderungen und Positionen zeigen: Bei den Verhandlungen zu den Freihandelsabkommen mit Kanada und den USA vertreten die offiziellen Delegationen weitgehend die Interessen der Ölindustrie. Der kanadischen Regierung spielen die Ukraine-Krise und der Konflikt mit Russland in die Hände. Denn für Bundeskanzlerin Merkel gilt nun, dass die Abhängigkeit von russischem Öl und Gas verringert werden soll. So wird es in einem streng vertraulichen EU-Positionspapier für die Freihandelsgespräche festgeschrieben. ‚to reinforce the security of supply … The current crisis in the Ukraine confirms the delicate situation by the EU with regard to energy dependence‘, heißt es dort. Für Kritiker ein Instrument, um den Klimaschutz auszuhebeln.
Auch Deutschland interessiert
Längst werden Fakten geschaffen: Im Juni dieses Jahr protestieren Umweltaktivisten vor der Repsol Raffinerie in Bilbao in Spanien. Hier wird kanadisches Öl aus Alberta raffiniert. Es ist die erste Lieferung überhaupt, die Europa erreicht hat. Und der Ölmulti Exxon steckt zurzeit eine Milliarden Dollar in den Umbau seiner Raffinerie in Antwerpen, um das zähflüssige Schweröl aus den Ölsanden verarbeiten zu können.
Kanada hat keine tauglichen Tiefseehäfen, das Öl wird via USA nach Europa verschifft. Plusminus liegt die bislang unveröffentlichte Liste des US-Handelsministerium vor: Schon 13 Sondergenehmigungen für Exporte sind erteilt: nach England, die Niederlande und nach Deutschland. Experten meinen, dass innerhalb von zwei Jahren so über die USA 500 000 Barrel Kanadaöl pro Tag in alle Welt verschifft werden können. Seit dem 5. August liegt nun der Entwurf des Freihandelsvertrags mit Kanada vor. Ölkonzerne, wie die von Alberta, können demnach ihre Exportinteressen auch in einem Schiedsverfahren einklagen und gegen Regierungsentscheidungen vorgehen. Ursprünglich hatte die EU bei Klimaschutzauflagen kein Klagerecht geplant. Das ist nun anders.
Werden die Ölkonzerne also klagen, wenn Klimaschutzauflagen verschärft werden? Für Lobbyist Friedmann eine Möglichkeit. Klimaschutz war gestern – heute zählt für Europa Energiesicherheit. Und daran werden die europäischen Ölmultis BP, Total und Shell sehr gut verdienen.“
Autor: Markus Schmidt
© ARD-Magazin Plusminus, Markus Schmidt
 
Den 1.500 Seiten langen CETA-Vertrag, der bislang geheim gehalten wurde, hat das ARD-Hauptstadtstudio am 14.8.2014 veröffentlicht („geleakt“). Das für Verbraucherschutz sowie Umweltschutzgesetzgebung in der EU verheerende Vertragswerk sieht geheim tagende sogenannte Investor-Staat-Schiedsstellen vor, bei denen Konzerne Staaten verklagen können, wenn diese über ihre Gesetzgebung „manifest unverhältnismäßig“ die Gewinnchancen des Konzerns schmälern. Was auf die EU in Deutschland zukommen könnte, zeigen Beispiele anderer Freihandelsabkommen. Der Tabakkonzern Philip Morris verklagt derzeit Australien auf Schadensersatz wegen der dort gesetzlich vorgeschriebenen Schock-Bilder auf Zigarettenpackungen, weil diese den Konzernumsatz schmälern. Der schwedische Konzern Vattenfall verklagt Deutschland wegen des Atomausstiegs und fordert Schadensersatz in Höhe von 3,7 Milliarden €. Bis Juli 2014 hat dies die Bundesregierung bereits 1 Million € gekostet. Bis 2017 sind für Verfahrenskosten 6,2 Millionen € im Haushaltsplan vorgesehen – der Bürger zahlt über seine Steuern die Prozesskosten für den anklagbaren Investorenschutz der Konzerne. Der US Öl- und Gaskonzern Lone Pine Resources verklagt im Rahmen des nordamerikanischen Freihandelsabkommens NAFTA die kanadische Provinz Quebec auf 250 Millionen $ Schadensersatz, weil Quebec ein Fracking-Moratorium für die Gasförderung am St. Lawrence River erlassen hatte.
Sollte die EU erst CETA wie vorgesehen am 25. September in Ottawa unterzeichnen und Deutschland danach das Fracking unter strengeren Auflagen als in Kanada erlauben, so könnten die kanadischen Fracking-Firmen (und die US-Firmen mit Tochterfirmen in Kanada) gegen die strengeren Fracking-Auflagen in Deutschland klagen. Sie hätten allerbeste Chancen, diese Prozesse zu gewinnen und die strengeren deutschen Gesetze auszuhebeln. Würden bereits erteilte Erkundungs- oder Bohrlizenzen wegen Umweltbedenken wieder zurückgezogen, so könnten Fracking-Firmen wegen Verletzung der Gewinnerwartungen und wegen „Fehlinvestitionen“ ebenfalls klagen. In den Deutschen Wirtschafts Nachrichten schrieb Georg Erbner am 8. August: „… Milliarden Strafzahlungen von Fracking-Unwilligen Regierungen in der EU einzufordern, würde umweltbewusste Staaten schnell gefügig machen. So wird die demokratische Grundlage der Bürger innerhalb der EU systematisch weiter ausgehöhlt“ (Geheim verhandelt: Fracking nimmt Kurs auf Europa, Deutsche Wirtschafts Nachrichten, 8.8.2014). Die Central European Petroleum GmbH mit Sitz in Berlin wurde 2006 als Central European Petroleum Ltd. in Alberta/Kanada registriert und will Fracking in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern durchführen, ExxonMobil im Landkreis Rotenburg (Wümme).
Erbner beleuchtet auch die Rolle der US-Konzerne: „Für die US-Energiebranche ist dieses Abkommen [CETA] besonders wichtig: Sie unterhält eigene Firmen in Kanada und wird so in die Lage versetzt, ihren neuen Exportschlager Fracking nach Europa zu exportieren. Der neue kalte Krieg gegen Russland dient nicht zuletzt dem Bestreben der Industrie, die Russen aus dem europäischen Energiemarkt zu verdrängen, um amerikanischen Konzernen einen neuen Absatzmarkt zu erschließen.“
Bärbel Höhn, Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen, gibt über ihre Website folgenden Hinweis: Regelungen in den geplanten Handels- und Investitionsschutzabkommen CETA (mit Kanada) und TTIP (mit den USA) könnten Fracking-Verbote oder -Moratorien in Europa künftig deutlich erschweren. Zu diesem Schluss kommt eine Studie amerikanischer und deutscher Nicht-Regierungsorganisationen. Die Studie finden Sie unter:
www.baerbelhoehn.de/fileadmin/media/MdB/baerbelhoehn_de/
www_baerbelhoehn_de/Kurzstudie_Fracking_TTIP.pdf
 
In Deutschland soll über ein Fracking-Gesetz noch dieses Jahr entschieden werden. Bundeswirtschaftsminister Gabriel und Bundesumweltministerin Hendricks legen bereits die Eckpunkte eines – wie Fraktionsvize Oliver Krische von den Grünen es nannte – „Fracking-Ermöglichungsgesetzes“ vor. Konventionelles Fracking in Tiefen von bis zu 5.000 m (Tight-Gas-Fracking, bereits 320 Mal in Deutschland praktiziert) bleibt erlaubt, unkonventionelles Fracking zur Gasförderung aus Schiefer- und Kohleflözgestein oberhalb von 3.000 m soll jedoch verboten werden. Fracking in Wasserschutz- und Heilquellengebieten sowie im Einzugsbereich von Talsperren und Seen soll untersagt werden. Die beim konventionellen Fracking eingesetzte Frackflüssigkeit dürfe „insgesamt maximal schwach wassergefährdend“ sein. „Wissenschaftliche“ Probebohrungen zur Erforschung von Umweltrisiken sollen erlaubt werden, wenn die Frackflüssigkeit „nicht mehr wassergefährdend“ ist. Die Unternehmen müssen – anders als in den USA und Kanada – die beim Fracking eingesetzten Chemikalien offenlegen. Bevor gefrackt wird, müssen Boden- und Wasseranalysen vorliegen, um (zu erwartende) Verschmutzungen dokumentieren zu können. Den Bundesländern soll es ermöglicht werden, weitere Regelungen in Eigenregie zu erlassen.
All diese geplanten Regelungen im Rahmen eines deutschen Fracking-Gesetzes könnten Makulatur sein, wenn vorher die EU mit Zustimmung der nationalen Parlamente das CETA-Abkommen unterzeichnet.
 
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